WappenLexikon Geschichte Baden+Württemberg: Konstanzer Konzil (von 1414 - 1418) und Überblick über die 21 "ökumenischen" Kirchen- Konzilien (von 325 - 1962ff)
philatelistisch unterstützt.  © Manfred Ebener
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Das Konstanzer Konzil im Kontext der Konzilsgeschichte:

Konstanzer Konzil

[Bild (Foto M.Ebener): Abbildung auf den Plakaten und Flyern zur Großen Landesausstellung zum Konstanzer Konzil vom April bis September 2014 in Konstanz]

Die rechte Spalte enthält den Artikel mit einem Überblick über das Konstanzer Konzil.


Die linke Spalte enthält einen kurzen Überblick über den Kontext: die 21 "Ökumenischen" Konzile (von 325 - 1962)

Übersicht über diese Spalte:

A. Einleitung zum Überblick über die Konzilsgeschichte
B. Die 8 "Ökumenischen" Konzilien des Altertums und Frühmittelalter  (von 325 bis 870)
C. Die Konzilien des Hoch- und Spätmittelalters (von 1123 - 1442)
D. Die Konzilien der Neuzeit (von 1512 - 1962)

E. Literaturhinweis und Quellenangabe zur Konzilsgeschichte


A. Einleitung zum Überblick über die Konzilsgeschichte:

- Das Konstanzer Konzil wird hier im Kontext der anderen großen Konzile dargestellt: daher erfolgt in dieser Spalte ein Überblick über die 21 großen Konzile.
- Die Aufzählung der Konzile von 325 bis 1962 gibt auch einen Eindruck von der Kirchengeschichte, ihren Entscheidungen, Problemen und Entwicklungen, jedenfalls der katholischen Kirche.
- "Weltkonzile" oder Ökumenische Konzile für die katholische Kirche sind alle 21;  in der griechische Ostkirche sind nur die Konzilien 1 - 7 anerkannt, vor der Trennung der West-und Ostkirche; die Protestantische Kirchen erkennen nur die Lehrentscheidung der ersten 4 Konzilien an.

- In der rechten Spalte folgt dann eine etwas ausführlichere Darstellung des Konstanzer Konzils von 1414 - 1418.



B. Die 8 Ökumenischen Konzilien des Altertums und des Frühmittelalters von 325 - 870:

Die ersten 8 Konzilien waren alle nicht von Theologen, Bischöfen oder einem Papst einberufen und geleitet, sondern von den römischen Kaisern, nach der Teilung des römischen Reiches 395 von den oströmischen Kaisern. Und sie fanden alle an Tagungsorten im Osten des Reiches statt.
Hauptthema der Konzilien war die Klärung dogmatischer Grundfragen vor allem der Christologie und der Trinitätslehre.

1. Konzil: Erstes Konzil von Nicaea, 325 n.Chr.:

KonstantinDas erste "weltweite" Kirchenkonzil wurde im Jahr 325 von Kaiser Konstantin einberufen und auch geleitet. Es fand nur 12 Jahre nach dem "Toleranzedikt" von Mailand von 313 statt, mit dem die beiden Augusti Konstantin und Licinius die Christenverfolgung im römischen Reich beendet hatten und mit dem die christlichen Gemeinden nach langer Unterdrückung und Leidenszeit toleriert wurden, .

[Bild (Marke San Marino 2013): 1700. Jahrestag des "Edikts von Mailand"; Abbildung: Medaillon mit Kaiser Konstantin in Siegerpose, Landkarte mit dem römischen Reich, Christus-Zeichen]

Überraschend ist, dass das 1. ökumenische Konzil nicht von einem christlichen Bischof oder gar vom Papst (den es zu der Zeit noch gar nicht gab) einberufen wurde, sondern von einem nichtchristlichen Kaiser. Konstantin war zu dieser Zeit noch kein eindeutig bekennender Christ (taufen ließ er sich erst kurz vor seinem Tod im Jahr 337), und auch die alten römischen Götterkulte pflegte er weiter. Er privilegierte und unterstützte aber die christlichen Gemeinden. Und er hatte offenbar die Vision, im Laufe der Zeit die christliche Religion mit ihrer Betonung des Monotheismus zur Staatsreligion zu machen, zur einzigen Religion in einem Land mit nur einem gottgleichen Kaiser.
Konstantin hatte nun erfahren, dass die christlichen Gemeinden gar nicht so einheitlich waren, sondern z.B. in dogmatischen Fragen zerstritten waren und unterschiedliche Positionen vertraten (was natürlich zu Konstantins Vision gar nicht passte). Ein umfassendes Konzil sollte nun die Einheit der Kirche herstellen.

Das Konzil sollte in Nicaea, nahe bei Byzanz, dem späteren Konstantinopel, stattfinden. Konstantin berief die christlichen Bischöfe des Reiches dorthin, zur "Großen und Heiligen Synode der 318 Väter". (Vermutlich ist das eine symbolische Zahl; manche Schätzungen gehen von etwa 220 Bischöfen aus, unter ihnen auch manche der später als "Kirchenväter" bezeichneten Theologen. - Der römische Bischof Sylvester konnte übrigens aus Altersgründen nicht am Konzil teilnehmen. - Die Bischöfe durften auf Anordnung des Kaisers für die Anreise nach Nicaea die kaiserliche Post benutzen, wie es sonst nur hohen Beamten zustand, - auch ein Zeichen für die Unterstützung der Christen.)

Hauptaufgabe der ersten Konzilien war die Klärung dogmatischer Grundfragen der Christologie, die in jener Zeit sehr kontrovers in den christlichen Gemeinden verstanden wurden. Hauptthema des 1. Konzils von Nicaea war die Formulierung, die Entscheidung für das Nicaenische Glaubensbekenntnis, in dem die Gottheit Jesu betont wird, und die Abgrenzung gegenüber dem Arianismus (der auch die Menschlichkeit Gottes in Jesus betont und der besonders bei den Goten sehr verbreitet war). Das heute noch in allen christlichen Kirchen gebräuchliche Apostolische Glaubensbekenntnis geht weitgehend auf das erste Konzil von Nicaea zurück.

2. Konzil: Erstes Konzil von Konstantinopel, 381 n.Chr.:
Das Erste Konzil von Konstantinopel wurde 381 von Kaiser Theodosius I. einberufen. (Theodosius war der Kaiser, der 391 das Christentum zur alleinigen Staatsreligion im römischen Reiche machte.)  Bischof von Rom war in der Zeit dieses Konzils Damasus I. Er nahm nicht am Konzil teil, denn zum Konzil eingeladen waren nur die Bischöfe des oströmischen Reiches.
Hauptthema war noch einmal das Glaubensbekenntnis: Im Nicaenisch-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis wird vor allem die Gottheit des Heiligen Geistes festgehalten.

3. Konzil: Konzil von Ephesus, 431 n.Chr.:
"Papst" (bzw. Bischof von Rom) war in der Zeit des Konzils Coelestin I. -
Hauptthema war hier die Betonung der Gottesmutterschaft Marias, die vor allem von den Anhängern des Nestorius verneint wurde.

4. Konzil: Konzil von Chalcedon, 451 n.Chr.:
Papst war zu der Zeit Papst Leo I., der Große. -
Noch einmal ging es um unterschiedliche Sichtweisen in der Christologie, nämlich um das Verhältnis der beiden Naturen in Christus. Die Formel dafür seit Chalcedon: Die göttliche und die menschliche Natur sind in der Person Christi "unvermischt und ungetrennt."

5. Konzil: Zweites Konzil von Konstantinopel, 553 n.Chr.:
Papst war in jener Zeit Papst Vigilius. -
Hauptthema waren noch einmal die Nestorianer. Das Konzil verurteilte 3 Kapitel der Nestorianer.

6. Konzil: Drittes Konzil von Konstantinopel, 680 - 681 n.Chr.:
Papst war zur Zeit des Konzils Papst Agato ?. -
Wieder ging es um die Frage der Christologie: Verurteilt wurde die Lehre des Monothelethismus, die Lehre des einen Willen in Christus (Honorius).

7. Konzil: Zweites Konzil von Nicaea, 787 n.Chr.:
Papst war zur Zeit des Konzils Papst Hadrian I. -
Thema war bei diesem Konzil das Thema der Bilderverehrung: Sinn und Erlaubtheit der Verehrung von Bildern von Jesus, von Heiligen.

8. Konzil: Viertes Konzil von Konstantinopel, 869 - 870 n.Chr.:
Papst zur Konzilszeit war Papst Hadrian II. -
Hauptthema war die Beseitigung des Schismas des Patriarchen Photius.

Überblick über das Konstanzer Konzil (von 1414 - 1418)

Übersicht über den Artikel in dieser Spalte:

I. Einleitung zum Konstanzer Konzil (1414 - 1418)
II. Vorgeschichte und Ziele
III.  Verfahrensweisen beim Konzil
IV. Teilnehmer am Konzil und seinem Umfeld
V. "Causa unionis": Die Lösung des Papstschismas (mit Briefmarke zum Konzil)
VI. "Causa fidei": Prozess gegen J. Hus
VII. "Causa reformationis": Weitere Beschlüsse
VIII Literaturhinweise zum Konstanzer Konzil


I. Einleitung zum Konstanzer Konzil (1414 - 1418)

Das Konstanzer Konzil ist das einzige der großen Kirchen-Konzilien, das im Gebiet des heutigen Deutschland stattfindet (und natürlich auch das einzige im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg). Und es ist die von der Besucherzahl her größte Versammlung kirchlicher (und weltlicher) Würdenträger vom ersten Konzil im Jahr 325 bis zum Ende des Mittelalters. (Nach Schätzungen waren etwa 20.000 - 30.000 Menschen im Zusammenhang mit dem Konzil in Konstanz, einschließlich der vielen Menschen mit Versorgungsdiensten, allerdings nicht immer zur gleichen Zeit.) Und das bei der kleinen Reichsstadt Konstanz, die damals vermutlich nur 6000 bis 8000 Bürger hatte. Das war auch eine unglaubliche logistische Herausforderung, die Konstanz offenbar sehr gut gemeistert hat.
Und das Konstanzer Konzil ist auch eines der wichtigsten - und problematischsten - Konzilien. Immerhin gelang es hier das Papstschisma zu überwinden, an dem die ganze Kirche seit 1378 litt, und einen einzigen Papst zu wählen.

KonstanzWarum findet das Konzil in der kleinen Reichsstadt Konstanz statt? - König Sigismund, der das Konzil zuerst einberief und die Wahl des Ortes maßgeblich bestimmte, plante ein Konzil an einem für die beteiligten Länder zentralen und gut erreichbaren Ort, und dazu bot sich Konstanz von der Lage her an (wie bei früheren Konzilien Lyon und später Basel). Außerdem wollte Sigismund das Konzil in seinem Herrschaftsbereich durchführen, auch um in der Frage der Hussiten handlungsfähig zu sein. Konstanz legte sich auch nahe, weil im Zusammenhang mit Konstanz schon manche politischen Entscheidungen getroffen worden waren (z.B. der Vertrag Friedrich Barbarossas mit den Lombardischen Städten 1183). Und: Konstanz war eine Bischofsstadt, wohl schon seit dem 6. Jahrhundert.

[Bild (Foto M.Ebener): Siegel der Stadt Konstanz, Gedenkstein an einer Wand in Konstanz]


II. Vorgeschichte des Konstanzer Konzils

Konzilien als Versammlungen kirchlicher und anderer Würdenträger waren schon seit 325 übliche Versammlungen zur theologischen und kirchenpolitischen Meinungsbildung- und Entscheidungsfindung (s. die Übersicht in der linken Spalte). In der Zeit vor dem Konstanzer Konzil hatte sich allerdings, auch befördert durch die Papst-Schismen, die Konzeption des Konziliarismus entwickelt, womit gemeint ist dass nicht ein Papst sondern ein Konzil die eigentlich wichtigen Entscheidungen trifft und dass dem auch der Papst untergeordnet ist. Diese Position, die oft auf Marsilius von Padua zurückgeführt wird, hat das Selbstbewusstsein und die Entscheidungen der Konzilsmitglieder bestimmt, und sie haben dies auch noch einmal während des Konzils in einem eigenen Dekret festgehalten. (Dass diese Sicht des Konziliarismus in der Fortsetzung der Geschichte der katholischen Kirche nicht beibehalten wurde, sondern etwa mit dem Unfehlbarkeitsdogma des Papstes seit 1870 ganz anders die Akzente gesetzt wurden, ist aber deutlich.)

Zur Vorgeschichte gehört das große Papst-Schisma seit 1378: Nach dem Tod von Kaiser Karl IV. im Jahr 1378 gab es neben dem römischen Papst einen Papst, der in Avignon lebte. Diese beiden Päpste zerrissen die Christenheit: Jede Gemeinde, jeder Bischof, jedes Kloster, jeder Fürst musste entscheiden zu welchem Papst er gehörte (Oboedienz), auch wohin Geld abzuführen ist. - In einem kleinen Konzil in Pisa, das später als schismatisch abgelehnt wurde, sollten die beiden Päpste abgesetzt werden und dafür als neuer Papst Johannes XXIII. eingesetzt werden. Aber die abgesetzten Päpste akzeptierten ihre Absetzung nicht. Damit gab es nebeneinander 3 Päpste.
Johannes XXIII. wollte darum, in Absprache mit König Sigismund, ein großes Konzil einberufen in der Hoffnung, dass er dort als legitimer Papst bestätigt wird und die Absetzung der anderen Päpste besiegelt wird. (Diese Hoffnung erfüllte sich nicht.)

Ein anderer Aspekt der Vorgeschichte war das Auftreten des böhmischen Theologen Johannes Hus, der seit seiner ersten Predigt in der Bethlehemkirche in Prag im Jahr 1402 eine an der radikalen kritischen Theologie des englischen Theologen John Wiclif orientierte Verkündigung begann, die in Böhmen zu einer großen reformatorischen Volksbewegung geführt hatte. Einige Schwerpunkte der für viele revolutionären Theologie und Predigt des Jan Hus waren:
- die Rückbesinnung auf die Bibel, weniger auf die kirchliche Tradition;
- die Kritik an der verweltlichten und zu reich gewordenen Kirche;
- Kritik am Ablasswesen;
- die Kritik an der kirchlichen Hierarchie einschließlich des Papstes (nicht der Papst sei das Haupt der Kirche, sondern Christus; das Papsttum sei eine von Kaisern geschaffene Einrichtung);
- Aufbau von Nationalkirchen statt von einer Weltkirche;
- die Ablehnung der Transsubstantiation bei der Messe; und
- die Austeilung des Abendmahlsweins auch an die Laien (diese Frage des Laienkelchs spielte in der späteren Hussitischen Bewegung eine zentrale Unterscheidungs-Rolle).

Diese reformatorische Bewegung wurde von der katholischen Kirche als Ketzerei gesehen und als Bedrohung der Einheit der Kirche. Auch für König Sigismund mit seinem Interessenschwerpunkt in Böhmen (Sigismund sollte nach dem Tod seines Bruders Wenzel König von Böhmen werden) erschien diese Bewegung als Bedrohung der Einheit des Landes.


III. Verfahrensweisen beim Konzil

SigismundDas Konzil wurde zunächst durch König Sigismund zum Herbst 1414 nach Konstanz einberufen.

[Bild: (Foto): Kaiser Sigismund, Porträt eines böhmischen Meisters (Prag?) (1436/37), früher Antonio Pisanello (1433) zugeordnet]

Nach König Sigismund wurde das Konzil auch von Papst Johannes XXIII. einberufen. Eingeladen wurden Kardinäle, Bischöfe, Äbte u.a. Geistliche, jeweils mit Vertretern und geistlichen Beratern, aber auch Könige, Fürsten und andere weltliche Herren mit Vertretern und Beratern.

KonzilsgebäudeIn den 4 Jahren, die das Konzil dauerte, fanden 45 teils mehrtägige Sitzungen statt.
Die Plenums-Sitzungen des Konzils fanden im Konstanzer Münster statt; nur die Sitzung zur Wahl des neuen Papstes fand in dem heute noch "Konzilsgebäude" genannten großen Gebäude am Konstanzer Hafen statt. (Es war ein ursprünglich als Kaufhalle gebautes Gebäude, das für die Papstwahl umgebaut war.)

[Bild (Foto M. Ebener): Das große "Konzilsgebäude" am Konstanzer Hafen, eine umgebaute Kaufhalle, in dem die Papstwahl beim Konzil stattfand.]

Die Konzilsteilnehmer versammelten sich in Untergruppen nach "Nationen", in denen die Themen des Konzils vordiskutiert wurden und die meist in Klostergebäuden tagten. Durch diese Gruppen war das Konzil ein großartiges Diskussionsforum.
Es wurden 5 Untergruppen gebildet: die Deutschen (zu denen auch die Ungarn u.a. gehörten), die Franzosen, die Engländer, die Italiener, später auch noch die Spanier, und die Gruppe der Kardinäle. Bei den Abstimmungen im Plenum hatte jede "Nation" nur 1 Stimme; dies sollte verhindern, dass die zahlenmäßig starken Italiener zu sehr dominieren konnten.
 


IV. Teilnehmer am Konzil und seinem Umfeld:

- Von den 30.000 Personen, die in den 4 Konzilsjahren in Konstanz waren, waren natürlich die wichtigsten die Kardinäle, Bischöfe, Prälaten und andere leitende Geistliche und die weltlichen Herren aus allen beteiligten Ländern: an der Spitze König Sigismund, dann die anderen Könige und Fürsten.

- Die Mitarbeiter und Angestellten der Konzilsdelegierten, die Gelehrten und Berater, waren eine weitere große Gruppe.
König Sigismund zum Beispiel, wenn er zum Konzil anreiste (und er kam oft und hatte starken Einfluss auf den Fortgang der Konzilsarbeit), der kam meist mit einem Tross von etwa 1000 Personen. Der Mainzer Erzbischof kam mit etwa 400 Personen. Ähnlich war es bei den Kardinälen und Bischöfen und den weltlichen Fürsten.

WolkensteinEin bekanntes Beispiel für einen Mitarbeiter im Tross ist der Südtiroler Ritter, Weltreisender, Dichter und Sänger Oswald von Wolkenstein, der während des Konzils in Konstanz 1415 in den Dienst König Sigismunds aufgenommen wurde. Er trat auch beim Konzil als Unterhalter auf. Von ihm sind eine ganze Reihe meist ziemlich deftiger Verse und Gedichte über das Konzil überliefert. Besonders bekannt geworden ist sein Gedicht über die hohen Kosten und die teuren Preise für die Gäste beim Konzil im Konstanz, das mit den Worten beginnt: "Denk ich an den Bodensee, / dann tut mir gleich mein Beutel weh! / Zahlte dort im Haus zur Wide / Schillinge für Liebesdienste...."

[Bild (Marke Österreich 1977): Oswald von Wolkenstein, 1377 - 1445; Abbildung des einäugigen Oswald von Wolkenstein, der auf Schärpe und Gewand bekleidet ist mit den Zeichen des "Kannenordens", der ihm in Spanien verliehen wurde]

C. Die Konzilien des Hoch- und Spätmittelalters von 1123 - 1442:

9. Konzil: Erstes Laterankonzil, 1123 n.Chr.:
Papst war zur Zeit dieses Konzils Papst Kalixt II. -
Hauptthema des Konzils war die Bestätigung des Wormser Konkordats von 1122, mit dem nach dem erbitterten Investiturstreit ein Weg zur Einsetzung von Bischöfen u.a. durch den Papst und die Fürsten gefunden worden war.
 

10. Konzil: Zweites Laterankonzil, 1139 n.Chr.:
Papst war zur Konzilszeit Papst Innozenz II. -
Hauptthema war wieder ein Schisma: Die Überwindung des Schismas Anaklets II. - Ein anderes Thema, das den Klerus bis zur Gegenwart betrifft, ist der Pflicht-Zölibat für Priester. Nach früheren Empfehlungen einiger Päpste wurde beim 2. Laterankonzil festgelegt, dass Priester nur werden und bleiben kann, wer in absolutem Ehelosigkeitszölibat und Enthaltsamkeitszölibat lebt.
 

11. Konzil: Drittes Laterankonzil, 1179 n.Chr.:
Papst war Papst Alexander III. (1159 - 1181). -
Thema war das Verfahren bei der Wahl eines neuen Papstes: Beschlossen wurde eine Zweidrittel-Mehrheit bei der Papstwahl.
 

12. Konzil: Viertes Laterankonzil, 1215 n.Chr.:
Papst war Papst Innozenz III. (1198 - 1216). -
Hauptthemen des Konzils waren: ein Glaubensbekenntnis gegen die Katharer und andere "Ketzer"; die Wesensverwandlung in der Eucharistie; und die jährliche Pflicht zur Beichte und Kommunion.
 

13. Konzil: Erstes Konzil von Lyon, 1245 n.Chr.:
Papst war Papst Innozenz IV. (1243 - 1254). -
Ein Thema war die Absetzung Kaiser Friedrichs II.
 

14. Konzil: Zweites Konzil von Lyon, 1274 n.Chr.:
Papst war Papst Gregor X. (1271 - 1276). -
Hauptthemen waren: Ordnung der Konklave bei der Papstwahl; Fragen der Kirchenunion mit der Griechischen Ostkirche; Kreuzzug.
 

15. Konzil: Konzil von Vienne, 1311 - 1312 n.Chr.:
Papst war Papst Clemens V. (1305 - 1314). -
Hauptthemen: Aufhebung des Templerordens, Armutsstreit der Franziskaner.
 

16. Konzil: Konzil von Konstanz, 1414 - 1418 n.Chr.:
Bevor das Konzil das Papst-Schisma überwinden konnte gab es mehrere Päpste, z.T. nebeneinander: Den Römischen Papst Gregor XII. (1405 - 1415), den Konzilspapst Johannes XXIII. (1410 - 1415), den Papst in Avignon Benedikt XIII. (1394 - 1415); neu gewählt wurde Martin V. (ab 1417).
Hauptthemen waren die causa unionis, also die Beendigung des Papstschismas und die Wahl eines neuen Papstes; die als causa fidei bezeichnete Auseinandersetzung um den rechten Glauben, wie er vor allem von Johannes Hus und den Hussiten in Böhmen vertreten wurde, was zur Verbrennung von J. Hus 1415 vom Konzil in Konstanz führte; schließlich die causa reformationis, also eine tiefgreifende Reformation der katholischen Kirche, was am wenigsten erreicht wurde.- Festgestellt wurde noch in einem Dekret die Oberhoheit des Konzils über den Papst. Auch sollten in Zukunft Konzilien in regelmäßigen Abständen tagen.

Hinweis auf eine hier nicht abgedruckte BRD-Briefmarke von 2014:

Briefmarke zum Konstanzer Konzil:
600 Jahre Konstanzer Konzil: 8 Bilder nach der Richental-Chronik, vom alltäglichen Fisch-Zubereiten für die Konzils-Gäste, bis zur Ermordung von Johannes Hus.
[Entwurf der Briefmarke: Nicole Elsenbach.]

Um eine Abbildung der Briefmarke zu sehen: Suchen Sie im Google - Netz o.ä. mit den Worten: Briefmarke Konstanzer Konzil.

17. Konzil: Konzil von Basel, 1431 - 1437 n.Chr., Fortsetzung in Ferrara und Florenz bis 1442):
Papst war in dieser Zeit Eugen IV. (1431 - 1447).
Ein Hauptthema war bei diesem Konzil die Union mit den Griechen (1439), auch mit den Armeniern und den Jakobiten.

- Humanistische Gelehrte auf dem Konstanzer Konzil:
Eine große Zahl der Gelehrten und Berater waren Humanistische Gelehrte meist aus Italien, die im Gefolge der Päpste und mancher Kardinäle zum Konzil kamen und hier ein großes Forum für ihre humanistischen Ideen hatten. Einige Namen: Leonardo Bruni war eine zentrale Gestalt der Humanistengruppe in Florenz; Manuel Chrysoloras aus Konstantinopel, der vor der Bedrohung durch die Osmanen nach Italien geflohen war und den Humanisten in Italien die Tradition der Griechen gebracht hatte, und der 1415 in Konstanz gestorben und begraben ist; und Poggio Bracciolini (s. unten).
Ein beonderes Kapitel ist dabei die Suche der Humanisten nach alten Handschriften: Bekannt geworden sind diese Humanisten dadurch, dass einige von ihnen ausschweiften in die Klöster der näheren und weiteren Umgebung von Konstanz und die Klosterbibliotheken nach bisher unbekannten Handschriften der römischen und griechischen Klassiker durchsuchten. Besonders weit ist dabei Poggio Bracchiolini herumgekommen. Er hat nicht nur die Klosterbibliothek in St. Gallen durchsucht, sondern auch Cluny in Burgund besucht, Murbach im Elsaß, und sogar das Kloster in Fulda in Hessen. Fast überall machte er sensationelle Funde bisher unbekannter und/oder verloren gegangener antiker Schriften, z.B. von Quintilian, Valerius Flaccus, Vitruv, Laktanz, und sogar Cicero.
Sein vielleicht wichtigster Fund war das bis dahin völlig unbekannte Lehrgedicht "De rerum natura" von Lukrez, das Poggio Bracciolini vermutlich 1417 im Kloster Fulda machte. (Die Entdeckung dieses Werkes von Lukrez mit seiner atheistischen Sicht der Natur und des Menschen war wohl für die Humanisten revolutionär und auch wirksam. Dass sie allerdings den Anfang der Renaissance und des Renaissance-Humanismus überhaupt bedeutet, wie es das Buch von Stephen Greenblatt mit dem Titel "Die Wende - Wie die Renaissance begann" annimmt, dürfte überinterpretiert sein.)
(Die Suche der Humanisten nach alten Handschriften hat sogar seinen Niederschlag in einer bekannten Erzählung von C.F.Meyer gefunden, in der das Konstanzer Konzil als Rahmen eine Rolle spielt: In der Erzählung "Plautus im Nonnenkloster" kommt einer der Humanisten, der bedeutende Humanist Poggio Bracciolini, vom Konstanzer Konzil aus in ein Nonnenkloster, um dort ein Exemplar der Werke des Komödiendichters Plautus zu finden.)

- Eine große Zahl machten natürlich die Versorgungsdienste aus: Händler, Wirte, Köche, sicher auch Ärzte u.Ä. - Richental beschreibt in seiner Konzils-Chronik auch einiges zur Logistik des Konzils in Konstanz: Als das Konzil anfing, kamen viele Händler usw. in die Stadt. Auf jedem freien Platz schlugen sie ihre Zelte auf, eröffneten Läden und Wirtshäuser. Und manche Mitarbeiter konnten nur in umliegenden Gemeinden eine Unterkunft finden.

Imperia- Und dann gab es offenbar bei diesem Großereignis auch eine große Zahl von "Hübschlerinnen", wie Richental sie nennt. Mindestens 700 sollen nach Richental ihre Dienste angeboten haben. Und man kann annehmen dass auch mancher geistliche Herr solche Dienste gern in Anspruch genommen hat, ohne Rücksicht auf den beim 2. Laterankonzil geforderte Enthaltsamkeis-Zölibat.
Allerdings ist die Geschichte der Dame Imperia, die auf ihren Händen Kaiser und Papst tanzen läßt, wie sie seit 1993 in der monumentalen Skulptur von Lenk auf dem Anleger am Konstanzer Hafen dargestellt ist, wohl nur eine von Balzac ausgeschmückte "Tolldreiste Geschichte".

[Bild (Foto M. Ebener): "Imperia"-Skulptur im Konstanzer Hafen, mit Kaiser und Papst in ihren Händen.]
 


V: Causa unionis: Die Lösung des Papstschismas

- In der 5. Sitzung des Konzils, am 6.4.1415, wurde das Dekret "Haec Sancta Synodus" beschlossen (Überordnung des Konzils auch über den Papst).

- Johannes XXIII. sieht seine Chancen schwinden; er flieht, um damit das Konzil aufzulösen.
(Als andere Konzilsteilnehmer mit Johannes XXIII. das Konzil verlassen wollen, holt König Sigismund sie persönlich wieder zurück, um das Konzil zu retten).
Schon 1 Monat nach dem Dekret "Haec Sancta" erklärt das Konzils den bisherigen Papst Johannes XXIII. für abgesetzt. (Später wurde er auch für illegitim erklärt, der bei der Zahl der Päpste nicht mitrechnete. Daher konnte sich der Papst des 2. Vaticanum noch einmal Johannes XXIII. nennen.)

- Der andere von den 3 gleichzeitig regierenden Päpsten, der römische Papst Gregor XII., tritt bald darauf freiwillig zurück.

- Der Papst in Avignon, Benedikt XIII., will lange nicht zurücktreten; erst 1417 wird ein Absetzungsprozess vom Konzil gegen ihn durchgeführt.

- Am 11. November 1417 wählen die Kardinäle und einige Vertreter der "Nationen" bei der Konklave im Konzilsgebäude den Italiener Otto Colonna als neuen Papst, der als Papst Martin V. von 1417 - 1431 regiert.

Damit war das Papstschisma nach 39 Jahren überwunden.

D. Die Konzilien der Neuzeit von 1512 - 1962:

18. Konzil: Fünftes Laterankonzil, 1512 - 1517 n.Chr.:
Papst war in jener Zeit  (der Renaissance-Papst) Julius II. (1503 - 1513) und Leo X. (1513 - 1521).
Dies Konzil wandte sich vor allem gegen ein als schismatisch angesehenes Konzil von Pisa (1511/1512).
 

19. Konzil: Konzil von Trient, 1545 - 1563 n.Chr., mit Tagungsperiode 1547 in Bologna:
Päpste waren zur Zeit dieses wichtigsten Konzils seit der Reformation durch Luther u.a.: Papst Paul III. (1534 - 1549), Julius III (1550 - 1555) und Pius IV. (1559 - 1565). -
Hauptthemen waren - in Auseinandersetzung mit der reformatorischen Theologie - die Lehre von Schrift und Tradition, Erbsünde, Rechtfertigungslehre, Sakramente, Meßopfer, Heiligenverehrung u.a.
 

20. Konzil: Erstes Vatikanisches Konzil, 1869 bis 1870 n.Chr.:

Papst war zur Zeit des 1. Vatikanischen Konzils Papst Pius IX. (1846 - 1878). -

Hauptthemen waren einmal die Bekräftigung der katholischen Lehre im Gegensatz zu modernen Zeitströmungen (wie Rationalismus, Liberalismus) und die Lehre vom Primat des Papstes und von der Unfehlbarkeit des Papstes. (Letzteres führte zur Abspaltung der Altkatholiken, die das Unfehlbarkeitsdogma ablehnten.)
 

21. Konzil: Zweites Vatikanisches Konzil, 1962 - 1965  n.Chr.:

Johannes XIII.Päpste waren während des Konzils Johannes XXIII., der das Konzil einberufen hatte (1958 - 1963), und Paul VI. (1963 - 1978).

[Bild (Briefmarke BRD, 1969): Papst Johannes XIII., der einberufende Papst des 2. Vatikanischen Konzils; Untertext: Friede auf Erden] [Entwurf der Briefmarke: Schillinger]

Hauptthemen waren
- die grundlegende Reform des kirchlichen Lebens im Geist des "aggiornamento" (Modernisierung) im Bereich der Liturgie (Liturgie in der Landessprache), der Rolle der Bischöfe, der Stellung der Laien;
- generell die Öffnung der Kirche zur modernen Welt;
- die Neubestimmung des Verhältnisses zu den anderen christlichen Kirchen,
- die Neubestimmung des Verhältnisses zu den anderen Religion.

.VI. Causa fidei: Der "Prozess" gegen Johannes Hus:

Johannes Hus

Das 2. Hauptthema beim Konstanzer Konzil war die Frage der reinen Lehre, die causa fidei. Diese Frage war besonders drängend durch die Predigt des böhmischen Theologen Jan Hus (s. oben).
Das Konzil hatte bereits die Lehre des Engländers Wiclif als ketzerisch verurteilt. Nun war Jan Hus nach Konstanz eigeladen, besonders dringend durch König Sigismund. Sigismund hatte ihm auch freies Geleit zugesichert.

[Bild (Marke CSFR, 1952): Tschechische Gedenkmarke für Jan Hus, Erinnerung an die erste Verkündigung der Hussitenlehre im Jahr 1402 in der Bethlehemskapelle in Prag; Portrait des böhmischen Theologen Johannes Hus]


Jan Hus kam 1415 nach Konstanz. Er konnte sich auch 3 Wochen frei bewegen. Nach dem ersten Verhör vor dem Konzil, bei dem er seine Lehre vertrat und nichts davon zurücknahm (auch er hätte gesagt haben können, wie später Martin Luther: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders".), nach diesem ersten Verhör wurde er gefangen genommen und nicht mehr freigelassen. Den Bedenken König Sigismunds, der ihm ja freies Geleit zugesichert hatte, soll man damit begegnet sein dass man sagte: Ketzern gegenüber muss man doch kein Versprechen halten!

Verbrennung von J.HusHus wurde dann seiner geistlichen Würdenzeichen entkleidet, zum Scheiterhaufen geführt und verbrannt (übrigens bei Anwesenheit König Sigismunds). Die Asche wurde in den Rhein verstreut um keinen Reliquien- oder Märtyrerkult zu erleichtern.
Im Jahr darauf wurde in Konstanz auch Hieronymus von Prag, ein Theologe und Wegbegleiter von Jan Hus, in Konstanz als Ketzer verbrannt.

[Bild (nach der Illustration der Richental-Chronik zum Konstanzer Konzil): Oberes Bild: Verbrennung von J.Hus auf dem Scheiterhaufen; unteres Bild: einsammeln der Asche in einem Totenkarren, mit dem sie dann in den Rhein gestreut wurde.]

Unter den Konzilsteilnehmern gab es kaum einen Widerspruch gegen den Prozess und die Hinrichtung des Jan Hus.

Ganz anders in Böhmen, wo Jan Hus als Märtyrer für den rechten Glauben gesehen wurde und sein Tod mit einem einmütigen Aufschrei der Empörung beantwortet wurde. Die blutigen Hussitenkriege, die auch die verschiedenen Gruppen in Böhmen spaltete, bestimmten dort das ganze 15. Jahrhundert.


 VII. Causa reformationis: Weitere Beschlüsse des Konzils:

Zu den vielen drängenden Problemen einer Kirchenreform (z.B. das Pfründenwesen bei den Pfarrstellen) gab es beim Konzil zwar eine Reihe von Theologenentwürfen, es kam aber kaum zu gemeinsamen Beschlüssen, die für alle Nationen verbindlich gewesen wären.
Konkret vereinbart wurde immerhin, dass in Zukunft regelmäßig Konzilien tagen sollten, möglichst im Abstand von 5, oder 7, oder 10 Jahren. Mit dem Konzil von Basel (ab 1431) wurde das fast erreicht; danach regierten die Päpste wieder weitgehend allein.

E. Literaturhinweise und Quellenangaben zur Konzilsgeschichte:

Hubert Jedin: Kleine Konzilsgeschichte. Die zwanzig Ökumenischen Konzilien im Rahmen der Kirchengeschichte. Herder-Bücherei, 1959

Heribert Müller: Die kirchliche Krise des späten Mittelalters. Schisma, Konziliarismus und Konzilien. Oldenbourg-Verlag, 2012

VIII. Literaturhinweise zum Konstanzer Konzil:

Dokumente zum Konstanzer Konzil, vor allem aus der Konzils-Chronik des Ulrich von Richental, u.a., sind wiedergegeben in dem von J.M.Moeglin und R.A.Müller herausgegebenen Reclam-Band: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Band 2, Spätmittelalter 1250-1495, Kapitel 36: Das Konzil zu Konstanz, S. 295ff. - Reclam-Verlag 2000

Alexander Patschovsky: Der italienische Humanismus auf dem Konstanzer Konzil (1414 - 1418). Konstanzer Universitätsreden, UVK Universitätsverlag Konstanz 1999

Klaus Schelle: Das Konstanzer Konzil 1414 - 1418. Eine Reichsstadt im Brennpunkt europäischer Politik. Verlag Stadler, 2. Aufl. 2010

Stephen Greenblatt: Die Wende - Wie die Renaissance begann. Siedler-Verlag, deutsch 2012

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© Manfred Ebener / E-Mail-Kontakt:  info@manfred-ebener.de / Lexikon Geschichte Baden-Württemberg: Konstanzer Konzil im Kontext der Konzilgeschichte/ letzte Änderung: 4.7.2020

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