Industrialisierung
und Wirtschaft
in Baden und Württemberg im 19. und 20. Jahrhundert Übersicht in einigen
Daten:
1. Entwicklung
bis zum 19. Jahrhundert:
1650 Calwer (Woll-)Zeughandelskompanie gegründet 1720ff Uhrenherstellung (Kuckucksuhren) im Schwarzwald
1758 Dekret zur Ludwigsburger
Porzellanmanufaktur
2. 19. Jahrhundert I: Beginn der Industrialisierung. Schwerpunkte: Textilverarbeitung, Papiermaschinen
1809 Erste mechan.Spinnerei Badens in St. Blasien gegründet 1810 Carl Bookshammer bringt
die erste englische Spinnmaschine nach Württemberg (Berg/Stuttgart)
1822 Uhrenfabrik Kienzle
in Schwenningen gegründet
1834/1835: Beitritt zum Deutschen
Zollverein
1841 Erste Dampfmaschine
in Württemberg
[Bild (Briefmarke BRD, 1989):
200. Geburtstag des Nationalökonomen und Wirtschaftspolitikers Friedrich List;
Portrait von F.List, Eisenbahnzug des 19. Jhdt.]
3. 19. Jahrhundert II: Hauptphase der Industrialisierung. Schwerpunkt: Maschinenindustrie 1853 Württ.Metallwarenfabrik
(WMF) in Geislingen gegründet
1860 Erste Arbeiterbildungsvereine
1872 Mauser-Werke
(Waffenfabrik) in Oberndorf gegründet
1883 Motorenfabrik Benz
& Cie in Mannheim gegründet
1891 Drehstromübertragung von Lauffen nach Frankfurt [Bild (Briefmarke BRD, 1991):
Drehstromübertragung vom Neckar- Kraftwerk Lauffen nach Frankfurt am Main:
Energieübertragung, Elektrizität] 4. 20. Jahrhundert I: Hochindustrialisierung und Krisen Schwerpunkte: Fahrzeug-, Luftfahrt- und Rüstungsindustrie; Elektroindustrie 1900 Erster Zeppelin
startet bei Friedrichshafen
1914 Flugzeugwerke Friedrichshafen
durch C. Dornier gegr.
1919 Besetzung Badens durch
Frankreich
1923 - 1938: Neckarkanalisation
von Mannheim bis Heilbronn
1931 Porsche-AG
(Autohersteller) in Stuttgart gegründet
5. 20. Jahrhundert II: Wiederaufbau und Globalisierung der Wirtschaft. Weitere Schwerpunkte: Informationstechnologien und Dienstleistungsbereich 1948 Firma Zeiss beginnt neu in Oberkochen 1950 Heinkel-
Motorenwerke in Stuttgart gegründet
1968 Neckarkanalisation von Heilbronn/ Stuttgart bis Plochingen 1972 SAP (Softwarehersteller) in Mannheim/Walldorf gegr. 1998 Fusion zu Daimler-Chrysler
6. 2003: Große Industriekonzerne in Baden-Württemberg (Stand 2003) Eine Übersicht der 50
größten Industriekonzerne mit Geschäftsstandort in Baden-
Württemberg (Rangfolge nach Umsatz im Jahr 2003) enthält auch
eine ganze Reihe von Firmen, die auf Gründungen vor 100 oder 150 Jahren
zurückgehen, auch wenn sich die Firmenstruktur durch Kooperationen,
Beteiligungen, Zukäufe, Fusionen, Ausgründungen u.ä. sehr
verändert haben.
1. Daimler-Chrysler,
Stuttgart (Automobile u.a.)
11. Hewlett Packard, Böblingen
(Computer)
21. Roche Deutschland, Grenzach-Whylen
(Pharma)
31. M+W Zander, Stuttgart
(Gebäudetechnik)
40. Merckle/ Ratiopharm,
Ulm (Pharma)
(Rangreihe der Spitzenreiter nach der Stuttgarter Zeitung vom 31.7.2004) [Rangreihe der 20 größten
Handelsunternehmen: siehe
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Industrialisierung
und Wirtschaft
in Baden und Württemberg im 19. und 20. Jahrhundert Einige Entwicklungslinien bis zur Gegenwart: Gliederung:
8. Einleitung: Vom armen Agrarland zum
Industriezentrum 8. Einleitung: Vom armen Agrarland zum Industriezentrum Baden-Württemberg gehört heute zu den wohlhabendsten Regionen in Deutschland und zu den am stärksten industrialisierten Ländern der Bundesrepublik. Diese Situation ist besonders erstaunlich, wenn man die Lage im Großherzogtum Baden und im Königreich Württemberg zu Beginn des 19. Jhdt. betrachtet: Beide Länder gehörten damals zu den sehr armen Ländern in Europa. Die Länder waren überwiegend von der Landwirtschaft geprägt (wobei die meist vorherrschende Realteilung nur kleine und unrentable Bauernhöfe erlaubte); es gab nur kleine Städte; Bodenschätze waren kaum vorhanden (siehe dazu noch das Lied "Preisend mit viel schönen Reden"); die großen Verkehrs- und Handelsstraßen liefen anderswo. Dazu war wenigstens Württemberg durch seine prachtliebenden Herzöge und die vielen Kriege ausgepowert. In der linken Spalte sind einige Daten zur Entwicklung, zur Gründung der wichtigsten Industrien usw. zusammengestellt. Hier finden sich einige Anmerkungen zu drei Fragen:: - Wie war es möglich,
dass in einem so armen Land eine so erfolgreiche Industrialisierung erfolgte?
Welche besonderen Bedingungen waren gegeben?
9. Anfänge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert: Die Industrialisierung begann
in Baden und Württemberg relativ spät und anfangs ziemlich langsam.
Ein Grund dafür war die anfangs konservative und ablehnende Einstellung
zu Fabriken und Maschinen. Außerdem fehlte Kohle o.a. als Energie.
so blieb das Wasser als wichtigster Antriebs-und Energielieferant: in Mühlen, Hammerwerken,als Wasserräder zum Antrieb der Maschinen in fast jeder Fabrik. Die Industrieansiedlungen waren darum lange Zeit ganz an die Wasserläufe gebunden. Erst später wurden dann auch die wasserunabhängigen Dampfmaschinen eingesetzt, bis um die Jhrhundertwende die Elektrizität zur Verfügung stand. [Bild (Briefmarke BRD, 1997):
Schwarzwälder Wassermühle] Neben der Textilindustrie
spielten in der Anfangszeit der Industrialisierung vor allem die Papiermaschinen
eine wichtige Rolle.
10. Aufschwung der Industrie im Königreich Württemberg ab 1840: Der große Aufschwung der Industrie wurde - jedenfalls in Württemberg - sehr stark durch staatliche industriepolitische Initiativen verstärkt. König Wilhelm I. war nicht nur an der Weiterentwicklung der Landwirtschaft stark engagiert, sondern auch an der Unterstützung der neuen Unternehmen durch finanzielle Unterstützungen, Ausbildung der Arbeiter (Industrieschulen, Polytechnische Hochschulen), Wissenstransfer, Aufbau des Eisenbahnnetzes. Die Gründung der Zentralstelle für Handel und Gewerbe 1848 mit Ferdinand Steinbeis als Leiter war dabei für die Industrieförderung besonders wichtig. So wurden im Königreich
Württemberg ab 1840 eine Reihe von Firmen gegründet, die zum
Teil Weltruhm erlangten, - und die, teilweise wenigstens, heute noch bestehen:
- 1861 die Uhrenfabrik Junghans
in Schramberg
11. Entwicklung im Großherzogtum Baden: Im Großherzogtum Baden verlief
die Industrialisierung zunächst rascher und erfolgreicher als in Württemberg.
(Die erste mechanische Spinnerei Südwestdeutschlands wurde 1809 im
säkularisierten Kloster St. Blasien eingerichtet. - Die älteste
technische Hochschule Deutschlands wurde 1825 in Karlsruhe errichtet.)
In Baden gab es keine so starke staatliche Unterstützung der Unternehmen wie in Württemberg; hier war Baden liberaler als das fast noch merkantilistische Württemberg. Dafür kamen nach Baden viele Unternehmer vor allem aus Frankreich und der Schweiz mit Kapital und Unternehmensgründungen: Sie wollten nach der Gründung des Deutschen Zollvereins (1833ff) zumindest eine Filiale ihrer Firmen in einem Land Deutschlands aufbauen, um von den Vorteilen des einheitlichen Zollgebietes profitieren zu können. So gibt es aus jener Zeit eine ganze Reihe von Schweizer und Französischen Firmen in Baden. Die geographische Lage Badens
war Chance und Verhängnis: Besonders nach 1871, als Elsaß-Lothringen
zum Deutschen Reich kam, war für Baden die Grenzlandsituation vorbei
und Baden lag mitten im Deutschen Reich, mit direktem Handelszugang zum
Elsaß.
12. Industrialisierung im 20. Jahrhundert: Im 20. Jahrhundert tritt die Bedeutung der Textilindustrie, die lange Zeit "Leitindustrie" in Baden und Württemberg war, zurück. Neue Schwerpunkte sind der Maschinenbau, und es dominieren zunehmend die Fahrzeug- und Luftfahrtindustrie mit der notwendigen Zulieferer- und Reparaturindustrie. - 1902 entwickelt Bosch den elektrischen Magnetzünder [Bild (Stempel und Schmuckblatt 2002):
Portrait Robert Boschs; 100 Jahre Magnetzünder; Zündkerze] - 1926 entsteht die Daimler-Benz-AG in
Stuttgart
Räumlich lassen sich 9 Bereiche besonderer industrieller Dichte (oder: industrielle Ballungsräume) ausmachen: In Baden die Wirtschaftsräume Mannheim-Heidelberg, Karlsruhe-Pforzheim, Mittelbaden um Lahr und Offenburg, Hochrhein, Konstanz und Singen. In Württemberg sind es das Industriegebiet Mittlerer Neckar um Stuttgart, Raum Reutlingen- Balingen- Ebingen, Ravensburg und Friedrichshafen, Raum Aalen- Heidenheim. In Baden-Württemberg bestehen eine ganze Reihe weltbekannter Firmen, die auch Großfirmen sind (z.B. Bosch, Daimler; siehe dazu die Übersicht in der nebenstehenden Spalte). Darüber hinaus ist die Industrie stark mittelständisch geprägt, mit vielen kleineren Firmen, die auch außerhalb der industriellen Ballungszentren tätig sind. Große und kleine Firmen prägen den Charakter einer exportintensiven Verarbeitungs-, Veredelungs-, und Qualitätsindustrie, die für Baden-Württemberg typisch ist.
13. 2003: Die 20 größten Handelsunternehmen in Baden-Württ. (Stand 2003) Die Rangfolge der nach Umsatz im Jahr 2003 größten Handelsdunternehmen mit Sitz in Baden-Württemberg ergibt folgendes Bild (wobei die Nr.1, Schwarz-Gruppe Neckarsulm, einen Umsatz von ca. 30 Mrd. € ausweist und die Nr. 20, Heine- Gruppe Karlsruhe, einen Umsatz von ca. 1 Mrd. €): 1. Schwarz-Gruppe Neckarsulm
(Einzelhandel: Lidl, Kaufland)
11. Müller, Ulm (Drogeriemärkte)
(Rangreihe der Spitzenreiter nach der Stuttgarter Zeitung vom 31.7.2004) [Rangreihe der 50 größten Industriekonzerne: siehe linke Spalte] |
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7. Weitere Web-Informationen
zum Industrieland Baden-Württemberg: http://www.lpb.bw.de/publikat/politischelandeskunde/kpl_08.pdf http://www.landesmuseum-mannheim.de http://www.pantel-web.de/bw_mirror/history/handel.htm |
14. Literaturhinweise: Willi A. Boelcke: Die Industrialisierung - Bedingtheiten im Südwesten. Aufsatz in dem von R.Rinker und W. Setzler herausgegebenen Sammelband "Die Geschichte Baden-Württembergs", Theiss-Verlag 1986 Frank Lang u.a.: Industrialisierung in
Württemberg. / Gewerbeförderung / Die Landwirtschaft. |
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