WappenLexikon Geschichte Baden+Württemberg: Humanismus und Renaissance - eine geistige Revolution im Spätmittelalter
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PetrarcaHumanismus und Renaissance - eine geistige / kulturelle Revolution im Spätmittelalter

[Bild (Marke Italien, 2004): 700. Geburtstag Francesco Petrarcas (1304 - 1374); Portrait Petrarcas in zeitgenössischer Tracht; Abbildung nach einem Fresko aus dem 16. Jhdt. -
Der Beginn des Renaissance-Humanismus wird meist mit dem Dichter Francesco Petrarca angesetzt, der im 14. Jahrhundert in Italien lebte (s.unten)
.]

Übersicht:

1, Zum Begriff und Verständnis des Renaissance- Humanismus

2, Gemeinsame Sichtweisen der Renaissance-Humanisten

3.  Entstehung und Ausbreitung des Humanismus in Italien seit dem 14. Jhdt. (Francesco Petrarca, Boccaccio, Akademie in Florenz, Lorenzo Valla, Pico della Miranola, Ennea Silvio Piccolomini)

Humanismus und Renaissance - eine geistige / kulturelle Revolution im Spätmittelalter

Renaissance-Humanismus in Deutschland


Übersicht:

4. Wege der Ausbreitung des Humanismus nach Deutschland

5. Einige bedeutende Humanisten in Deutschland im 15. Jhdt.
    (Jakob Wimpfeling, Sebastian Brandt, Konrad Peutinger,
     Willibald Pirckheimer)

6. Humanisten in oder aus Südwestdeutschland im 15./16. Jhdt.
    (Johannes Hartlieb, Heinrich Steinhöwel, Niklas von Wyle, Konrad Celtis, 
     Johannes Reuchlin, Ulrich Zasius, Heinrich Bebel)

7. Weitere Vertreter des Humanismus in Deutschland im 16. Jhdt.
    (Ulrich von Hutten, Nikolaus Kopernikus, Erasmus von Rotterdamm;
     Reformatoren und Humanismus)

1.  Zum Begriff und Verständnis des Renaissance- Humanismus

Der Begriff "Humanismus" als Philosophie und Lehre vom Menschen ist ein sehr verschwommener Begriff geworden. Er wird fürs humanistische Gymnasium ebenso wie für eine humanistische Politik, die die Menschenwürde achtet, oder auch für einen kommunistischen Humanismus verwendet: überall, wo der Mensch, das Humanum, im Mittelpunkt steht - oder stehen sollte.

Humanismus im engeren Sinn (auch Früh-Humanismus oder Renaissance-Humanismus genannt) bezeichnet eine geistige Revolution, eine Neuorientierung in der Sicht des Menschen und der Welt, wie sie im Spätmittelalter in Italien in Verbindung mit der Renaissance begann. (Gelegentlich wird auch Humanismus und Renaissance synonym verwendet.) Angeregt durch die Renaissance (also der Wiederentdeckung, Wiedergeburt) der römischen und griechischen Antike ist der Humanismus eine Bewegung zur Bildung des Menschen zu einem erfüllten Leben im Diesseits und zu einer begeisterten Entdeckung und Erforschung der Natur und der Welt.

[Die Bezeichnung "Humanismus" als eine Art Epochenbezeichung für die Zeit der Früh-Humanisten stammt erst von 1808, und zwar von dem Pädagogen Fr.J. Niethammer. - Als "Neu-Humanismus" wird der Bildungshumanismus Wilhelm von Humboldts u.v.a. aus der Zeit um 1800 bezeichnet.
Die Bezeichnung "Humanisten" gab es schon seit dem 13. Jahrhundert: Die "Studia Humanista", nämlich die Fächer des Trivium der Artes liberales, also Grammatik, Rhetorik, Poetik, manchmal auch ergänzt um Moralphilosophie und Geschichte, werden an Schulen traditionell von "Humanistae" unterrichtet. ]

 

Als Humanisten werden dann vom 14. Jahrhundert an eine Gruppe von städtischen Verwaltungsmitarbeitern, Lehrern, Gelehrten, Dichtern, Künstlern, auch Geistlichen zunächst in Italien zur Zeit der Renaissance ab dem 14. Jahrhundert bezeichnet. Sie bildeten eine gut "vernetzte" Bewegung, aber keine geschlossene Schule. Auch wenn die Schwerpunkte unterschiedlich waren gab es doch einige gemeinsame Merkmale.
 

2. Gemeinsame Sichtweisen der Renaissance-Humanisten:

- Ein gemeinsames Merkmal waren das moralphilosophische Studium und die Bildung eines erfüllten menschlichen Lebens, der Genuss des Diesseits, weniger das Studium des Jenseits und das Studium Gottes. Die Würde des Menschen, die Individualität, die individuelle Biographie, bekommen zentrale Bedeutung.

- Zum Humanismus gehörte auch die Entdeckung und die Erforschung der Natur und der Welt ohne kirchliche Bevormundung. Dazu gehörte eine neue ästhetische Wahrnehmung der Natur-Landschaft (wie sie auch bei den Renaissance- Künstlern in der neuen Landschaftsmalerei erkennbar ist); aber auch die Eroberung der Welt durch die Weltumsegelungen; schließlich die neuen Sichtweisen in den Naturwissenschaften (so bei Pracelsus in der Medizin oder bei Kopernikus für die Astronomie).

Cicero- Erfülltes Leben konnte von den antiken Schriftstellern gelernt werden, an der Wiedergeburt (=Renaissance) der Antike. Besonders wichtig waren dabei die Schriften des römischen Redners, Politikers und Schriftstellers Marcus Tullio Cicero. Aber auch andere lateinische Schriftsteller aus der Antike wurden zunehmend wichtig (z.B. Seneca), später auch griechische Schriften der Antike (etwa die Odyssee).

[Bild (Marke Italien, 1957): 2000. Todestag von Marcus Tullius Cicero (106 - 43 v.Chr.); Portrait des römischen Schriftstellers und Redners Cicero]

- Die antiken Schriften lagen in jener Zeit nur bruchstückhaft oder überhaupt nicht vor. So war die Suche nach alten Handschriften, auch die Suche nach den ursprünglichen, unverfälschten Texten, eine wichtige Aufgabe für die Humanisten. (Beim Konzil zu Konstanz 1414 - 1418 waren z.B. einige humanistisch orientierte Konzils-Mitarbeiter sehr damit beschäftigt alle Klosterbibliotheken in der näheren und weiteren Umgebung nach alten Handschriften zu durchsuchen.)

- Zu den philologischen Interessen gehörte auch die Entwicklung der Textkritik und die Herausarbeitung der Urtexte gegenüber unbeabsichtigten, oder auch absichtlichen, Verfälschungen bei Übersetzungen und Abschriften. (So wurde entdeckt, wo die Vulgata, die damals allgemein gebräuchliche Übersetzung der Bibel ins Lateinische, den Urtext verfälscht hatte. Oder es wurde von L.Valla herausgefunden dass die sogenannte "Konstantinische Schenkung", auf die Papsttum und Kirchenstaat einen Großteil ihrer Macht begründeten, kein Dokument von Kaiser Konstantin war sondern eine Fälschung aus dem Mittelalter.)

- Mit der Entdeckung der antiken Autoren wurde für die Humanisten auch die Wiederentdeckung der lateinischen Ursprache (im Gegensatz zur "Verschandelung" durch das mittelalterliche Kirchenlatein oder gar des Italienischen) wichtig. Ein elegantes Latein in der Art Ciceros wurde das Ziel der Gelehrten. - Und: Es entwickelte sich ein lateinisches Schuldrama.

- Und: Gemeinsam war den Humanisten auch die Kritik an der äußerlichen Kirche und an der vielen zu formalistisch und un-menschlich gewordenen scholastischen Theologie, die damals die Kirchen, Klöster und Universitäten beherrschte. (Der drastischste Ausdruck dieser Kritik waren die "Dunkelmännerbriefe", in denen der scholastische Betrieb satirisch lächerlich gemacht wird.)

- Die Menschen- und Weltsicht der Humanisten stand im Gegensatz zur vorherrschenden Lehre der katholischen Kirche im Mittelalter, in der die Erde oft nur als elendes Jammertal gesehen wurde und der (unbedeutende) Mensch nur als armer und elender Pilger auf dem Weg zu seiner eigentlichen Heimat im Jenseits. Überspitzt formuliert: Statt nur als Pilger zur himmlischen Heimat im Jenseits wird der Mensch bei den Humanisten gesehen als begeisterter Gestalter des individuellen Lebens und der Welt.

- Umstritten ist, wie radikal der Gegensatz des Humanismus zur Kirche gesehen wird:
Manche sehen im Humanismus den Beginn einer radikalen Säkularisierung, eine Ablehnung aller Jenseits-Religion, deren Fortsetzung sich durch Teile der Aufklärung bis zu Ludwig Feuerbachs radikaler Religionskritik zieht.
Andere weisen darauf hin, dass fast alle Humanisten der Kirche verbunden blieben, dass sie an eine Versöhnung von heidnischer Antike und christlicher Religion glaubten, an einen "christlichen Humanismus" (wie z.B. Erasmus). Dafür spricht, dass auch viele Geistliche dem Humanismus nahe standen und mit Enea Silvio Piccolomini sogar ein besonders profilierter Humanist Papst werden konnte (Papst Pius II.).
Insgesamt wird man davon ausgehen können, dass der Gegensatz von Humanismus und christlicher Religion bei den Humanisten der Renaissance selten radikal zu Ende gedacht wurde. "Die meisten (der frühen Humanisten) werden innerlich geschwankt haben zwischen Freigeisterei und Fragmenten des anerzogenen Katholizismus, und äußerlich hielten sie sich schon aus Klugheit zur Kirche." (So Jacob Burckhardt in dem unten genannten Buch über die Kultur der Renaissance in Italien, in dem Kapitel "Die Religion und der Geist der Renaissance", Kröner-Ausgabe von 1947, S. 476.)

4. Wege der Ausbreitung des Humanismus nach Deutschland

Nach Nordeuropa und damit auch nach Deutschland kamen humanistische Ideen - außer durch reisende Gelehrte aus Italien wie die Mitarbeiter am Konzil in Konstanz ab 1414 - vor allem durch einige Mittelsmänner:

Petrarca war 1356 für einige Zeit am Hofe des Kaisers Karl IV. in Prag und machte dort den Kaiser und mehrere Gelehrte am Hof mit humanistischen Gedanken vertraut. Georg von Neumarkt, Kanzler am Hof in Prag, nahm schon früh von Petrarca humanistisches Gedankengut auf und gab es weiter. -Damals entstand auch die erste Renaissancedichtung in deutscher Sprache, der Dialog "Der Ackermann aus Böhmen"

Ein anderer wichtiger Vermittler war Anfang des 15. Jahrhunderts Enea Silvio Piccolomini, der auf seinen Reisen humanistische Ideen weitergab, z.B. als er 1442 auf einem Reichstag in Frankfurt von Kaiser Friedrich III. zum Dichter gekrönt wurde.

Am wichtigsten waren aber die Deutschen u.a., die als Studenten oder Gelehrte nach Italien gingen, die dort mit Humanisten in Berührung kamen und die bei der Rückkehr die humanistischen Gedanken weitergaben. So  z.B. der Niederländer Rudolf Agricola, der seit 1458 in Italien lebte und der dann ab 1483 als Professor in Heidelberg wirkte.

Der Humanismus war weder in Italien noch auch in Deutschland eine Massenbewegung, es war die Sache einer Elite. Allerdings brachte die Entwicklung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg (um 1450) auch für die Verbreitung der Ideen des Humanismus in der Breite ganz neue Möglichkeiten, die auch sehr genutzt wurden. Bücher, Flugblätter, Pamphlete konnten in größerer Menge gedruckt und "unters Volk gebracht werden". Ohne dies wären wohl die Ideen des Humanismus exklusiv beschränkt geblieben, wie auch im 16. Jahrhundert die Ideen der Reformation Luthers u.a.


5. Einige bedeutende Humanisten in Deutschland
     im 15.Jhdt.

Wichtige Humanisten (außer den unten genannten im Südwesten wirkenden) waren:

- Jakob
Wimpfeling (* 1450 in Schlettstadt), der ab 1481 Professor für Rhetorik in Heidelberg war),

- Sebastian
Brandt (* 1457 in Straßburg, dessen Moralsatire "Das Narrenschiff" auch durch den neuen Buchdruck eine starke Verbreitung fand),

Peutinger-Tafeln- Konrad
Peutinger (* 1465 in Augsburg, Stadtschreiber in Augsburg, der mit den berühmten Peutinger-Tafeln eine römische Weltkarte von 250 n.Chr. aufbewahrte, wenn auch nur eine im 12. Jahrhundert entstandene Kopie)

[Bild (Marke Italien, 2000): Auszug aus der römischen Weltkarte von 250, die als Tabula Peutingeriana bekannt wurde]

- Willibald
Pirckheimer (* 1470 in Eichstätt, Ratsherr in Nürnberg, Freund Dürers und Reuchlins, der auch als Übersetzer griechischer Schriften ins Lateinische hervortrat)


6. Humanisten die im Südwesten wirkten oder dorther stammen:

Zu den Frühhumanisten aus dem Südwesten gehören vor allem
- Johannes Hartlieb (* 1400 in Möglingen, + 1468 in München)
- Heinrich Steinhöwel (* 1413 in Weil der Stadt, + 1483 in Ulm)
- Niklas van Wyle (* 1410 in Bremgarten im Aargau, + 1478 in Stuttgart):


- Johannes Hartlieb (* 1400 in Möglingen, + 1468 in München) gehört zu den vielseitigsten Frühhumanisten und Übersetzern Deutschlands und seine Handschriften und frühen Drucke befinden sich in vielen bedeutenden National- und Universitätsbibliotheken.

Johannes Hartlieb ist ein wichtiger und international bekannter Literat des Spätmittelalters und als Vorreiter und Klassiker in der germanistischen und medizinhistorischen Fachliteratur geschätzt. Er war wie sein Studienkollege Heinrich Steinhöwel (Weil der Stadt) und Niklas Wyle mit ihrer Übersetzerleistung wichtig als Wegbereiter für das Entstehen von Bildung und Fortschritt in der Neuzeit in Deutschland.

Neu aufgefundene Urkunden beweisen eindeutig seine Herkunft aus Möglingen im Kreis Ludwigsburg durch den Zusatz „de Meglingen constantiensis diocesis“ als gesichertes Alleinstellungsmerkmal. Hartlieb wurde um 1400 in Möglingen geboren aus einer seit 1350 dokumentierten alteingesessenen Familie, die Hofmaier der Grafen von Württemberg waren, wohl als Sohn des für das Jahr 1402 verzeichneten Schultheißen Hans Hartlieb. Hartlieb promovierte 1439 in Padua zum Doktor der Medizin und Erzney. Hartlieb lebte von 1440 bis zu seinem Tode am 18.5.1468 als Leibarzt, Berater und Diplomat der Wittelsbacher Herzöge Albrecht III. und dessen Sohn Sigismund.

Seine literarisches Vermächtnis umfasst frühe Werke der Pharmazie (Kräuterbuch); der Medizin (Secretum Mulierum- Frauenheilkunde; Bäderbuch); der Astrologie (Buch aller verbotenen Künste, Mondwahrsagebuch, Namenmantik, Chiromantie) und Prosaliteratur (Alexanderroman- ein Bestseller in der Inkunabelzeit; die Brandanlegende) und minne- und moraldidaktische Traktatliteratur (das Buch de Amore- über die Liebe; Dialogus miraculorum).

Weitere Webinformationen zu Johannes Hartlieb http://www.heimatverein-moeglingen.de; www.leo-bw;

(Verfasser des Artikels: Rolf Reichert, Möglingen)


- Einer der frühesten Humanisten im Südwesten war auch Heinrich Steinhöwel,  schwäbischer Frühhumanist, Arzt. (* 1412 in Weil der Stadt, + 1483 in Ulm). -

Steinhöwel war Leibarzt von Graf/ Herzog Eberhard im Bart. Seit 1450 war er Stadtarzt in Ulm und Mittelpunkt eines Humanistenkreises. Als Humanist war er ein wichtiger Vermittler lateinischer und italienischer Werke, besonders durch seine Übersetzungen der Werke Boccaccios und Petrarcas.


- Etwa um dieselbe Zeit lebte in Esslingen und Stuttgart der Humanist Niklas von Wyle,  * um 1410 in Bremgarten im Aargau, + 1478 in Stuttgart. - 
Wyle war Ratsschreiber in Nürnberg und
Esslingen, 1469 - 1478 Kanzler des Grafen von Wirtemberg  in Stuttgart.  Auch Wyle übersetzte Bocaccio und Petrarca ins Deutsche.


- Konrad Celtis (Konrad Bickel, Pickel), deutscher Dichter wird oft  "Erzhumanist" genannt. (* 1.2.1459 in Wipfeld bei Würzburg, + 4.2.1508 in Wien)

Celtis studiert 1484-1485 in Heidelberg und wird dort durch Rudolf Agricola für den Humanismus begeistert. Er ist einer der ersten Fahrenden nach Italien, kommt dann wieder zurück mit der Mission, "Deutschland der Barbarei zu entreißen". Er wirkt als großer humanistischer Anreger: als Dichter (und wird 1487 von Kaiser Friedrich III. zum Dichter gekrönt), Wissenschaftsorganisator (er gründet wissenschaftliche Gesellschaften in Krakau, Wien u.a), Herausgeber und Übersetzer (er entdeckt und ediert die Dramen der Roswitha von Gandersheim; er ediert die "Germania" des Tacitus und begründet die Geschichtswissenschaft als akademische Disziplin; und er ediert die Tragödien Senecas).

CeltisIn Heidelberg hat Celtis 1484/1485 durch Agricola seine wichtigsten humanistischen Impulse erhalten; 1491 gründete er in Heidelberg eine Wissenschaftliche Gesellschaft; 1495/96 war er noch einmal in Heidelberg als Prinzenerzieher der Söhne Kurfürst Philipps.
Als Professor für Dichtkunst u.a. wirkt er dann etwas länger in Leipzig, Ingolstadt und seit 1497 in Wien.

[Bild (Marke Generalgouvernement, 1944): Portrait des Humanisten Konrad Celtis, mit Lorbeerkranz des "gekrönten Dichters"]


- Der Humanist Johannes Reuchlin reicht mit seinem Leben und Wirken schon über das 15. Jahrhundert hinaus:  * 22.2.1455 in Pforzheim, + 30.6.1522 in Liebenzell (oder Stuttgart?) (Grab in der Leonhardskirche in Stuttgart). – 

Reuchlin, ein Onkel Melanchthons, gilt neben Erasmus als einer der wichtigsten Humanisten. Er arbeitete eine Zeitlang als Jurist für Württemberg (1499 - 1520 in Stuttgart), lehrte dann als Prof. in Ingolstadt und Tübingen. Er begründete das wissenschaftliche Studium von Griechisch und Hebräisch in Deutschland, kämpfte gegen die Vernichtung hebräischer Literatur durch die Inquisition (wofür er als Ketzer angeklagt wurde), schrieb theosophische Werke, und auch lateinische Schuldramen. Er blieb ein Gegner der lutherischen Reformation.


- Ulrich Zasius (* 1461 in Konstanz) war seit 1503 humanistisch orientierter Rechtslehrer in Freiburg.


Bebel, Heinrich, Humanist und Dichter. - * 1472 in Ingstetten bei Justingen/ Schelklingen, + 1518 in Tübingen.

Heinrich Bebel war seit 1497 Professor für Poesie und Rhetorik in Tübingen. 1501 wurde er zum Dichter gekrönt. Er verfasste Lieder, lateinische Theaterspiele und Spruchsammlungen. Sein bekanntestes Werk wurde "Facetiae" (Sammlung von Anekdoten und witzigen Aussprüchen, erschienen zuerst 1506).


- Universitäten: Heidelberg war schon früh eine humanistisch geprägte Universität (s. etwa die Tätigkeit von J. Wimpfeling und J. Agricola  als Professoren in Heidelberg).
In Tübingen begann sich der Früh-Humanismus seit der Wahl von Heinrich Bebel als Professor für Poesie und Rhetorik an der Universität durchzusetzen.

3.  Entstehung und Ausbreitung des Humanismus in Italien seit dem 14. Jhdt.

Francesco Petrarca:

Die Entwicklung des Renaissance-Humanismus in Italien im Spätmittelalter wird meist mit der Person des Dichters Francesco Petrarca (1304 - 1374) verbunden (auch wenn es schon Vorläufer in früheren Zeiten gab).

Francesco Petrarca, geboren 1304 in Arezzo in der Toskana, hat ein unstetes Leben geführt: Reisend an vielen Fürstenhöfen, Besuch vieler Klosterbibliotheken auf der Suche nach antiken Schriften, dann wieder zurückgezogen studierend auf dem Land in der Nähe von Avignon in Südfrankreich lebend, zum Dichter gekrönt 1341 in Rom, mit einem großen Briefverkehr mit vielen Gleichgesinnten.

Petrarca SonettPetrarca ist einmal bekannt geworden als Dichter, vor allem der berühmten Sonette, die meist Liebesgedichte an seine reale oder erfundene Geliebte Laura waren (und die auch noch im 19. Jhdt. von Franz Liszt und anderen Komponisten vertont wurden). Er war gekrönter Dichter und hat auch mit seinem Stil die Nachfolger des sog. "Petrarkismus" angeregt.

[Bild (Briefmarke DDR, 1981): Miniatur mit einem Sonett von Petrarca, damals aufbewahrt in der Deutschen Staatsbibliothek Berlin.] [Entwurf der Briefmarke: Müller]

Für den Renaissance-Humanismus bedeutend war besonders Petrarcas Entdeckung der Schriften der antiken römischen Schriftsteller, vor allem von Cicero und Seneca (aber auch vom "Kirchenvater" Augustin, besonders mit dessen "Konfessionen"). Petrarca suchte und fand die Weisheit der "erleuchteten Heiden" zur Bildung von Geist und Seele und auch zur Erneuerung des Volkes und der desolaten politischen Zustände Italiens seiner Zeit.
 
Von seinen Prosawerken ist im Spätmittelalter am populärsten geworden das Trostbüchlein mit einer Anleitung zum erfüllten Leben: "De remediis utriusque fortunae" (entstanden und handschriftlich verbreitet seit 1366, gedruckt nach der Entwicklung des Buchdrucks 1468; deutsch "Von der Artzney bayder Gück - des guten und widerwärtigen", auch unter dem Titel "Heilmittel gegen Glück und Unglück".)

In den Schriften der Antike fand Petrarca auch die Bejahung der Welt und der Natur, wie er sie selbst schon erfahren hatte. Legendär dafür ist seine Bergbesteigung des Mont Ventoux in Südfrankreich, von der er in einem seiner Briefe berichtet: Die Besteigung des Berges, die großartige Landschaft und die herrliche Aussicht vom Gipfel erfüllte ihn mit unglaublicher Begeisterung für die Schönheit der Welt und des Lebens. Angeregt hatte ihn dazu die Lektüre bei Livius, wo Livius berichtet wie ein römischer König einen hohen Berg besteigt.


Andere Humanisten in Italien:

Boccaccio (+ 1375), ein Freund Petrarcas, schreibt mit dem "Decamerone" das erste Novellenwerk der Neuzeit


1440 Gründung einer Platonischen Akademie in Florenz: Um 1400 kommen einige aus Konstantinopel emigrierte Gelehrte nach Italien. (Zu ihnen gehörte auch der während des Konstanzer Konzils als Konzilsberater tätige Manuel Chrysoloras, der 1415 auch in Konstanz starb und begraben liegt). Sie bringen antike griechische Texte mit und sie lehren das in Italien bisher völlig unbekannte Griechisch. 1440 gründen sie in Florenz eine Platonische Akademie, durch die vor allem die Philosophie Platons in Italien bekannt wird.


In Florenz wirken auch die Humanisten
- Leonardo Bruni
(+ 1415), der auch beim Konstanzer Konzil war;
- Poggio Bracchiolini
(+ 1459), der vor allem durch seine Handschriftensuche beim Konstanzer Konzil bekannt geworden ist;
- Pico della Mirandola
(+1494) (s.unten) und
-  der Arzt Ficino (+ 1499).


Pico della Mirandola, Humanist und Philosoph, gehörte in Florenz zum Hof der Medicis zur Zeit "Lorenzo des Prächtigen".

Ein Zitat aus einem seiner Werke macht deutlich dass ihm neben der Würde des Menschen auch die Gefahren und die mögliche Kehrseite der humanistischen Individuation und Selbstverwirklichung bewußt war:
Für einen Kongress in Rom, zu dem Pico 1486 eine große Zahl von Gelehrten einladen wollte, hatte er 900 Thesen zur Diskussion formuliert, die als "Conclusiones nongentae" später auch veröffentlicht wurden. Der Papst erklärte einige dieser Thesen für häretisch und verbot die Durchführung des Kongresses, außerdem hatte Pico einige Sanktionen zu ertragen.
Hier das Zitat aus der einleitenden These "Über die Würde des Menschen": "Gott spricht zu Adam: Ich schuf dich als ein Wesen, weder sterblich noch unsterblich, allein damit du dein eigener freier Bildner und Überwinder seist; du kannst zum Tier entarten und zum gottähnlichen Wesen dich wiedergebären. Du allein hast eine Entwicklung, ein Wachsen nach freiem Willen, du hast Keime eines allartigen Lebens in dir." -
Die macht- und prunkvollen Persönlichkeiten vieler Renaissance-Fürsten, auch Macchiavellis Politik- Ratgeber "Il Principe", auch die unglaublich verbrecherischen Renaissance-Päpste der Borgia u.a. lagen sicher nicht in der Intention der Früh-Humanisten; zu ihren Folgen gehörten sie auch.


In Rom gründet als 1. päpstlicher Humanist Papst Nikolaus V. (+ 1455) die Vatikanische Bibliothek.
Sein Sekretär
Lorenzo Valla (+ 1457) leitet die Text- und Bibelkritik ein: mit der Kritik der Vulgata-Übersetzung und mit der Aufdeckung der Fälschung der "Konstantinischen Schenkung" (deren Unechtheit allerdings schon kurz vorher Nikolaus von Kues, latinisiert: Cusanus, nachgewiesen hatte).


Ein weitere bedeutender Humanist in Italien ist Enea Silvio Piccolomini, der zum Papst gewählt wurde (als Papst Pius II.; + 1464). Er war nach humanistischen und juristischen Studien Sekretär verschiedener Kardinäle und Päpste und trat als Dichter hervor, wofür er auf dem Reichstag von Frankfurt durch Kaiser Friedrich III. zum Dichter gekrönt wurde. Von seinen  Werken sind Liebeskomödien bekannt geblieben, Briefe über Bildungsfragen an habsburgische Fürsten, Kritik am Hofleben und mehrere Geschichtswerke.

Enea Silvio Piccolomini war beim Basler Konzil (1431 - 1449) ein glühender Verfechter des Konziliarismus gegen die Alleinherrschaft des Papstes. Dann änderte er seine Einstellung und bezog entschieden Position gegen den Konziliarismus. Schließlich wurde er zum Papst gewählt (1458, als Papst Pius II.).

Piccolomini trug viel zur Verbreitung des Humanismus in Deutschland bei: durch seine Reden bei seinen gelegentlichen Besuchen in Deutschland und bei den Kontakten mit Deutschen in Italien, und durch seine Werke.

7. Weitere Vertreter des Humanismus in Deutschland
     im 16. Jahrhundert


Hutten- Ulrich von Hutten, Humanist und Publizist, Landsknecht, Polemiker und bedeutender Schriftsteller (* 1488 auf Burg Steckelberg bei Schlüchtern, + 1523 im Exil in der Schweiz)

[Bild (Briefmarke BRD, 1988): 500. Geburtstag des Reichsritters und Humanisten Ulrich von Hutten; Holzschnitt aus seiner Schrift "Conquestiones"] [Entstehung der Briefmarke: Stelzer]

Bei dem fränkischen Reichsritter Ulrich von Hutten wird ein Schwerpunkt mancher deutscher Humanisten sichtbar: ein starkes Interesse an der Geschichte, besonders an der nationalen Geschichte und ein großer Stolz darauf. Ein Auslöser war dafür die Entdeckung und Publikation des lateinischen Textes von Tacitus "Germania" durch Konrad Celtis. Gegenüber der arroganten Einschätzung der Italiener, nur sie seien ein Kulturvolk und nördlich der Alpen lebten immer noch nur Barbaren, fanden Celtis und Co. in der "Germania" des Tacitus Belege dafür, welch altes und bedeutendes Kulturvolk schon die Germanen, die Vorgänger der Deutschen Nation, waren.


- Nikolaus Kopernikus, Domherr in Frauenburg im Ermland, privat: Astronom und Mathematiker (* 1473 in Thorn, + 1543 in Frauenburg.)

Kopernikus, der das heliozentrische System (wieder-) entdeckte und formulierte, die "kopernikanische Wende", ist ein Beispiel dafür, wie eine humanistische Sichtweise die Erkenntnis der Natur, der Welt, die Wissenschaft revolutionär verändert hat: Kopernikus hatte in Krakau humanistische Studien gemacht, später auch in Padua und Bologna in Italien. Dabei hatte er auch gefunden, dass der griechische Philosoph Aristarch von Samos (ca. 250 vor Chr.) - anders als Ptolemaios - ein heliozentrisches System, mit der Sonne (und nicht der Erde) im Mittelpunkt, beschrieben hat. Das gab Kopernikus den Anstoß zu seinen eigenen Forschungen, an deren Ende das Werk mit seiner Beschreibung des heliozentrischn Systems stand: "De revolutionibus orbium coelestium" (Über die Kreisbewegung der Weltkörper). Veröffentlicht hat Kopernikus dies Werk allerdings nicht, aus Furcht vor den kirchlichen Reaktionen. Es wurde erst posthum veröffentlicht.

Kopernikus[Bild (Briefmarke DDR, 1973): Briefmarke zum 500. Geburtstag des Astronomen Nikolaus Kopernikus (1473 - 1543); Portrait des Kopernikus, links das Hauptwerk "De revolutionibus orbium coelestium", rechts schematische Darstellung der Sonne, Erde und Planeten.] [Entwurf der Briefmarke: Stauf]
 


- Erasmus von Rotterdam, Humanist und Theologe. - * 28.10.1465 oder 1469 in Rotterdam, + 12.7.1536 in Basel. - 

ErasmusErasmus gilt als bedeutendster Humanist seiner Zeit.
Er war ein bedeutender Philologe (besonders wichtig war seine Edition des Neuen Testaments in der Griechischen Urfassung, auf die sich auch Luther bei seiner Übersetzung ins Deutsche stützte), seine Kritik an den weltlichen und geistlichen Mächten seiner Zeit und an der formelhaft erstarrten theologischen Scholastik, sein Pazifismus, seine Fortführung der spätmittelalterlichen Tradition eines christlichen Humanismus.

[Bild (Marke Niederlande, 1969): 500. Geburtstag von Erasmus; Portrait des Humanisten Erasmus von Rotterdam]

Zur Biographie und zum Werk des Erasmus Desiderius von Rotterdam::

1469: Erasmus ist wohl 1469 in Rotterdam geboren als (illegitimer) Sohne eines Priesters.
1478 - 1483: Seine Schulzeit erlebte er in der Schule der "Brüder vom Gemeinsamen Leben" in Deventer, wo ihn die "Devotio moderna" stark prägte. (Hier lernte er auch den Humanisten Rudolf Agricola kennen).
1487 tritt er als Mönch ins Augustiner-Chorherren-Kloster Steyn bei Gouda ein
1493 wird er Sekretär des Bischofs von Cambrai.
1495 studiert er an der Universität von Paris Philosophie und Theologie.
1499 reist er zum ersten Mal nach England, in dem er in der Folge viele Jahre zubrachte.
1500: Veröffentlichung der "Adagia" (="Gesammelte Sprichwörter" meist von antiken Schriftstellern)

1501: Aufenthalt des Erasmus in Löwen in den Niederlanden. Studium des Griechischen und Lehrtätigkeit in der Griechischen Sprache und Literatur.

1511: "Lob der Torheit" veröffentlicht (In diesem Traktat beschreibt er auf ironische Weise die Mißstände seiner Zeit: er kritisiert intellektualistische Begriffsspalterei, kritisiert Adel, Kaufleute, Fürsten, vor allem die Krieg Führenden, aber auch Mönche und Priester. Und er preist die Menschlichkeit und ein natürliches Selbstgefühl.)

1516: Herausgabe des Neuen Testaments in der griechischen Ursprache

1517: Erasmus unterstützt Reuchlin in der Kontroverse mit Pfefferkorn um die Ausmerzung des Hebräischen und um die "Dunkelmännerbriefe".

1517/1518: Der Beginn der Reformation Luthers (1517 Thesenanschlag Luthers in Wittenberg; 1518 Heidelberger Disputation, durch die  viele Humanisten für Luther gewonnen wurden) beeinflusst die weiteren Lebensjahre des Erasmus entscheidend, auch wenn er sich nie als "Lutheraner" verstanden hat.

1519: Beginn der Korrespondenz mit Luther, dessen Kritik an der römischen Kirche er weitgehend teilt; große Sympathie, aber kein Eintreten des Erasmus für die Reformation Luthers: er bleibt als "christlicher Humanist" innerhalb der katholischen Kirche.
1521 - 1529: Erasmus lebt in Basel. Herausgabe fast aller Kirchenväter in der Ursprache und weitere Werke.

1524: Erasmus veröffentlicht "De Libero Arbitrio" (= "Über den freien Willen"), eine Auseinandersetzung mit Luthers Theologie. Luther antwortet darauf mit "De Servo Arbitrio" (= "Über den unfreien Willen"). Seitdem  gibt es heftige Anfeindungen zwischen Luther und Erasmus. Erasmus kritisiert auch z.B.  Luthers brutale Äußerungen gegenüber den Bauern im Bauernkrieg 1525.

1529 - 1535: Übersiedlung von Basel nach Freiburg "wegen reformatorischer Unduldsamkeiten in Basel". In Freiburg schreibt er weiter an seinen Schriften und führt seine umfangreiche Korrespondenz vor allem mit den oberrheinischen Humanisten, aber auch mit den anderen Humanisten in Europa fort.

1535 kehrt Erasmus nach Basel zurück, um seine Werke dort bei Froben besser drucken zu können.
1536 stirbt Erasmus in Basel und wird im (protestantischen) Münster begraben.


- Von den Reformatoren waren einige vor ihrer Begegnung mit Luther humanistisch orientiert gewesen und sie blieben es auch als Anhänger der Reformation. Sie wollten Humanismus und christlichen Glauben versöhnen in einem "Christlichen Humanismus", so etwa Philipp Melanchthon und Martin Bucer.


- In der Reformationszeit und der Zeit der Konfessionskriege endet der Renaissance- Humanismus als selbstständige geistige Bewegung, auch weil er sich mit vielen seiner Ideen durchgesetzt hatte.

Literaturhinweis:
Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch.
Erstveröffentlichung 1860 (Standardwerk, inzwischen viele Neuauflagen, z.B. Kröner-Verlag 1947)
 

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© Manfred Ebener / E-Mail-Kontakt:  info@manfred-ebener.de / Lexikon Geschichte Baden-Württemberg: Humanismus + Renaissance/ letzte Änderung: 27.12.2018

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