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Kunst
und Künstler (Malerei und Plastik) in / aus Südwestdeutschland
Einleitung In einem kurzen Lexikonartikel
ist keine Kunstgeschichte Südwestdeutschlands möglich
Hier wird nur zusammengestellt, wo in den einzelnen Epochen Zentren der Kunstproduktion waren und wo weltberühmte, überregional bedeutende - oder auch "nur" regional bekannte Künstler und Kunstwerke zu finden sind. Dabei liegt der Schwerpunkt bei den Kunstwerken und bei den Künstlern und Künstlerinnen, zu denen es philatelistische Belege gibt. Wegen des Umfangs ist der
Artikel auf 3 Sites aufgeteilt: "Kunstgeschichte
1" (Von der Steinzeit bis zum Ende des Mittelalters), "Kunstgeschichte
2" (16.-18.Jhdt.) und "Kunstgeschichte
3" (19. und 20. Jhdt.).
Kunstwerke von der Steinzeit bis zum Mittelalter Steinzeit:
[Bild (Foto M.Ebener]: Eines der ältesten Kunstwerke der Welt, ein elfenbeingeschnitztes Wildpferdchen, geschaffen etwa 35 000 Jahre v.Chr., gefunden in Höhlen im Lonetal auf der Ostalb] Kelten: Von den Kelten (seit 600 v.Chr.) finden sich im Gebiet Südwestdeutschlands Kunstwerke vor allem in den Grabbeigaben in den Fürstengräbern, z.B. im Fürstengrab in Hochdorf oder in Trichtingen. Römer: In der Römerzeit (ab etwa 100 n.Chr. bis 260 n.Chr.) entfaltete sich eine blühende Kultur in Obergermanien. Von Kunstwerken der Bildenden Kunst sind nur wenige erhalten. Ein Beispiel ist der Mosaikboden mit der Darstellung des Orpheus, der in Rottweil im Stadtmuseum zu sehen ist. [[Bild (Briefmarke BRD, 1976):
Silberner Halsring von Trichtingen, Abzeichen eines keltischen Fürsten (-100
v.Chr.)] [Bild (Marke Schweiz, 1974):
Alemannen: Goldene Gewandschließe, 7. Jhdt (Landesmuseum Zürich)]
Kunstwerke im Hochmittelalter (1000 - 1250): Kunst der Romanik Eine der bedeutendsten Malschulen der Ottonischen Malerei (um 1000 n.Chr.) war die Reichenauer Schule in den Klöstern der Insel Reichenau im Bodensee. Hier entstanden Fresko-Malereien in den Kirchen, wie sie z.B. in der Kirche St. Georg in Oberzell auf der Reichenau noch vollständig erhalten sind. (Auch in vielen anderen Kirchen in Süddeutschland sind Fresken wiederentdeckt worden, die allerdings nie so wertvoll und umfangreich wie die Reichenauer Bildwände sind.) Neben der "Kunst am Bau", der Fresko-Malerei in den Kirchen, wurde in den Skriptorien der Reichenauer Klöster die Buchmalereigepflegt, meist für Illustrationen zu biblischen Texten. Die Malweise ist sehr von der byzantinischen Malerei geprägt; die Figuren stehen meist raumlos vor Goldgrund; naturalistische Landschaften und Perspektive spielen keine Rolle. - Eines der bedeutendsten Werke der Reichenauer Buchmalerei ist das Perikopenbuch Heinrichs II., das um 1007 auf der Reichenau entstanden ist. Es ist mit 10 Zierseiten, 184 Textinitialien und 28 ganzseitigen Bildern ausgestattet. Neben den religiösen Themen wurden in der Buchmalerei der Romanik auch Themen aus der Geschichte der Kaiser und Fürsten illustriert. Ein bedeutendes Beispiel ist die Welfenchronik, eine Geschichte der Welfen, mit Buchmalereien, entstanden um 1190 im Kloster Weingarten. [Bild (Briefmarke BRD, 1980): 800 Jahre Reichstag zu Gelnhausen; Kaiser Friedrich I. mit seinen Söhnen, Miniatur aus der Welfenchronik (12. Jhdt., Weingarten)] [Entwurf der Briefmarke: Walter] Die Plastik spielt in der Romanik noch keine so große Rolle wie die Buchmalerei. An einigen romanischen Kirchen sind wunderbare Steinplastiken erhalten, zum Beispiel die archaischen Fabelwesen im Skulpturenschmuck der Johanniskirche in Schwäb. Gmünd oder die Skulpturen an der Walterich-Kapelle in Murrhardt. Eine sehr berühmte Vollplastik stammt aus dem 12. Jahrhundert: das sog. Freudenstädter Lesepult mit den 4 Evangelisten, eine bemalte Holzskulptur von 1140, die vermutlich aus dem Alpirsbacher Kloster stammt und seit 1680 in der Kirche in Freudenstadt steht. [Bild (Foto M.Ebener): Freudenstädter
Lesepult, Holzskulptur von ca. 1140, seit 1680 in der Kirche in Freudenstadt]
Der Kopf des Staufers Friedrich Barbarossa, der "Barbarossakopf" von 1165, stammt nicht aus Südwestdeutschland, sondern aus dem Reliquar aus Cappenberg.
[Bild (Briefmarke BRD, 1977): Staufer-Ausstellung 1977 in
Stuttgart; Barbarossakopf, Reliquar aus Cappenberg, 1165] |
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Kunst und Künstler
im Spätmittelalter
(1250 - 1550): Kunst der Gotik
Seit etwa 1250 spielt bei den Auftraggebern von Kunst - neben der Kirche und den Fürsten - auch die ritterliche und höfische Standesgesellschaft eine Rolle; dazu entwickelt sich eine stadtbürgerlichen Kultur. Damit verändern sich die Darstellungsweise und auch die Themen der Kunstwerke. Die Zeit von 1250 - 1350 wird häufig alsFrühgotik bezeichnet. In dieser Zeit entstehen die berühmten Buchmalereien der Liederhandschriften: In oder um Konstanz werden um 1290 die Bilder der sog. Weingartner Liederhandschrift gemalt (genannt nach dem Kloster Weingarten, in dem die Liederhandschrift seit dem 17. Jhdt. aufbewahrt wurde). [Bild links (Briefmarke Berlin, 1970): Minnesänger Meinloh von Sevelingen, aus der Weingartner Liederhandschrift; jetzt in der Staatsbibliothek Stuttgart] [Entwurf der Briefmarke: Froitzheim]
Die Weingartner Liederhandschrift
ist fast so populär wie die Manessesche oder Heidelberger
Liederhandschrift, die um 1305 bei Zürich entstanden sein
dürfte und die jetzt wieder in Heidelberg zu sehen ist. - Die Bilder
der Liederhandschriften sind nicht nur schön und anrührend in
ihrer schlichten und zarten Darstellung; sie sind auch alltags- und kulturgeschichtlich
sehr interessant für die Zeit um 1300..
Am Bodensee bei Konstanz sind um 1290 auch die Buchmalereien der sogenannten Schocken-Bibel für die jüdische Gemeinde entstanden.
[Bild (Marke Israel, Block
1985): Deckblatt der "Schocken- Bibel", Genesis, mit Miniaturen zu
Adam und Eva und anderen biblischen Geschichten der 5 Bücher Mose.
- Die hebräische Bibelhandschrift mit den Miniaturen entstand vermutlich
in Konstanz um 1290, etwa in derselben Zeit wie die
Weingarter
Liederhandschrift. Sie stammt aus der Sammlung von Salman Schocken
und befindet sich jetzt im Schocken- Institut in Jerusalem.]
Als Beispiel sind hier einige Ausschnitte aus den gotischen Glasfenstern in der Frauenkirche in Esslingen wiedergegeben, die um 1320 geschaffen wurden. [Bilder (Briefmarken BRD und Berlin, 1976): Ausschnitte des Marienfensters, einem Glasfensteraus dem gotischen Chor der Frauenkirche in Esslingen, um 1320] [Entwurf der Briefmarken: von Andrian]
Bei
den Skulpturen zur Zeit der Frühgotik
sind besonders eindrucksvoll die Andachtsbilder. Besonders die Christus-Johannes-Gruppen
sind in ihrer innigen und mystischen Frömmigkeitshaltung eine Besonderheit,
die für die religiösen Meditation in den Südwestdeutschen
Klöstern, vor allem den Nonnenklöstern, typisch ist.
Als Zeit der Hochgotik wird oft die Zeit etwa von 1350 bis 1450 bezeichnet. In der Malerei
beginnt hier eine neue Maltechnik: Erst jetzt gab es Ölfarben und
damit die Möglichkeit der Tafelmalerei. Malerei wird nun meist Malerei
auf Leinwand oder auf Holz; damit beginnt auch der Siegeszug der Altäre
mit den Retablen in den Kirchen.
Maler aus Südwestdeutschland haben großen Anteil an den neuen Entwicklungen der Kunst: - Stefan Lochner ist um 1400 am Bodensee (in Meersburg oder Konstanz) geboren. Er lebte und arbeitete meist in Köln. Er gilt als Hauptmeister der Kölner Malschule und des "Weichen Stils" der deutschen Hochgotik. Eines seiner bekanntesten Werke ist "Maria in der Rosenlaube". [Bild (Marke Kamerun, 1972): Stefan Lochner: "Maria im Rosenhag", 1448 (Wallraf-Richartz-Museum Köln)] - Konrad Witz ist um 1400 in Rottweil geboren; er hat meist in Basel und Genf gelebt.. - Konrad Witz, von dem hauptsächlich Bildtafeln von Altären bekannt sind, gilt, neben Multscher und L. Moser, als Hauptvertreter des neuen Realismus in der altdeutschen Malerei. Der Realismus zeigt sich auch in der Landschaftdarstellung: Die Landschaft, die Konrad Witz zum Beispiel auf dem Bild "Fischzug Petri" plastisch und mit leuchtenden Farben darstellt , ist die erste örtlich genau bestimmbare Landschaft (am Genfer See), die von einem Maler des Nordens bekannt ist. - Lukas Moserhieß vielleicht ein geheimnisvoller Maler, der um 1390 in Ulm geboren ist, der um 1430 in Weil der Stadt tätig war und von dem allein der Magdalenenaltar in Tiefenbronn (1431) bekannt ist. Dieser Altar mit seinen realistischen Darstellungen ist ein eindrucksvolles Kunstwerk des neuen Realismus des 15. Jahrhunderts. - Hans Multscher, der um 1400 in Reichenhofen bei Leutkirch in Oberschwaben geboren ist, lebte seit 1427 in Ulm und wird zur Ulmer Malerschule gerechnet. Er ist gleichermaßen berühmt als Bildhauer (von Multscher stammt der "Schmerzensmann", eine Steinplastik des Ulmer Münsters) und als Maler. Er gilt als Überwinder des "weichen Stils" und als einer des Hauptmeister des Realismus im 15. Jahrhundert. [Bild
(Marke Panama, 1967): Hans Multscher: "Auferstehung Christi"; Teil des
Wurzacher Altars, um 1437]
Die Bildhauerkunst wurde meist in Verbindung mit dem Bau der Kirchen entfaltet. So waren auch manche Bildhauer gleichzeitig Baumeister. Zum Beispiel Peter Parler, der in Schwäbisch Gmünd um 1330 geboren ist und der 1356 als Dombaumeister nach Prag berufen wurde. Parler baute den Chor des Veitsdoms in Prag, die Karlsbrücke in Prag u.a. Parler hat sich selbst im Veitsdom ein Denkmal gesetzt. [Bild (Marke Böhmen-Mähren, 1943): Selbst- Portrait von Peter Parler im Veitsdom in Prag] Der
Turm der Kapellenkirche in Rottweil ist durch
seine Steinfiguren und Reliefs eines der schönsten Beispiele hochgotischer
Bildhauerkunst in unserem Gebiet.
Als Zeit der Spätgotik wird in Deutschland oft die Zeit von etwa 1450 bis 1550 bezeichnet (wobei der Übergang zur Renaissance im 16. Jhdt. fließend ist). Wichtigstes Zentrum spätgotischer Kunst in Südwestdeutschland ist Ulm, die größte und reichste Freie Reichsstadt jener Zeit: Als "Ulmer Schule" werden einige Künstler zusammengefasst, die in Ulm geboren sind oder deren Kunstwerkstätten in Ulm lagen. Von ihnen wurden viele hervorragende Gemälde, Altäre, Skulpturen geschaffen.
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Hans
Multscher wird als früher Vertreter zur Ulmer Schule gerechnet.
- Weitere Web-Informationen zur Ulmer Schule: http://www.museum.ulm.de/ErhSyrl/erhartsyrlin.htm Eine zweite wichtige Region der Kunstproduktion der Spätgotik liegt am Oberrhein. (Der Rhein war dabei nicht Grenze, sondern eher Verbindungsweg; Straßburg und Colmar gehörten ebenso dazu wie Freiburg und Breisach.)
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Der in Colmar geborene Martin Schongauer
malt 1489 im Münster in Breisach die
großen Fresken mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts.
[Bild (Briefmarke Berlin, 1985): Hans Baldung: Geburt Christi; Hochaltar im Freiburger Münster, 1516] [Entwurf der Briefmarke: Lüdtke] -
Weitere Web-Informationen zur spätgotischen Kunst am Oberrhein:
Weitere bedeutende Bildschnitzer und Maler der Spätgotik, die im Südwestdeutschen Raum geboren sind und/oder dort gewirkt haben:
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Der Bildschnitzer Hans Seyfer, der vor allem
durch seinen Altar in der Kilianskirche in Heilbronn berühmt ist (entstanden
1498);
[Bild (Briefmarke BRD, 1989): Details aus
dem "Englischen Gruß" von Veit Stoß in der St.- Lorenz- Kirche, Nürnberg (1518)]
[Fortsetzung Kunstgeschichte Südwestdeutschland 16.-20. Jhdt.: siehe extra Site Kunstgeschichte 2 und Kunstgeschichte 3] |
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