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Die Völkerwanderung der Germanenstämme in der
Spätantike und die Errichtung germanischer Reiche auf dem Boden des bisherigen
römischen Reiches
Übersicht über den Artikel:
1. Zusammenfassung
2. Vorbemerkungen
3. Die Ereignisse / Völkerwanderungen seit dem Hunneneinfall um 375 n.Chr.
3.1 Karte
zu den Völkerwanderungen
3.2 Einige
Daten zur Völkerwanderung
3.3 Der Einfall der
Hunnen seit 375 n.Chr.
3.4 Wanderungen und
Reichsbildungen der Goten
3.5 Die Wanderungen
und das Reich der Wandalen
3.6 Die
Burgunder (und das Nibelungenlied)
3.7 Die Jüten
und die Angeln und die Sachsen
3.8 Die
Franken
3.9 Die
Langobarden
3.10 Völkerwanderungen
nach 600: Slawen, Araber, Normannen u.a.
4. Literaturhinweise
[Bild (Briefmarke BRD 1977): Vergoldeter
Spangenhelm aus dem Ostgotenreich Theoderichs, gefunden in einem Fränkischen
Fürstengrab von Krefeld - Gellep]
[Entwurf der Briefmarke: Schillinger]
1. Zusammenfassung:
Mit der "Völkerwanderung" im engeren Sinne werden
meist die großen Wanderbewegungen verschiedener Germanischer Stämme/Völker (von
den Römern meist nur "Barbaren" genannt) aus
Nord-, West-, und Osteuropa bezeichnet, die seit dem Einbruch der Hunnischen
Reitervölker in Westasien und Osteuropa um 375 n.Chr. zur Bildung neuer
Germanischer Reiche meist auf dem Boden des bisherigen Römischen Reiches führten
und schließlich auch zur Auflösung des Römischen Westreiches 476 n.Chr.
Die
wichtigsten Völkergruppen waren dabei die Goten, von denen die Ostgoten unter König
Theoderich dem Großen von 497 - 526 Italien von der Hauptstadt Ravenna
aus regierten, und die Franken, die unter Chlodwig seit 487 von
Nordfrankreich aus ein immer größeres Reich im früheren Gallien und darüber
hinaus begründeten.
Am Ende der "Völkerwanderung im engeren Sinne", das etwa um 568 n.Chr.
(der Ansiedlung der Langobarden in Italien) angesetzt
wird, waren an Stelle des Römischen Reiches ganz neue Großreiche in Westeuropa
entstanden, die allerdings meist nicht sehr lange Bestand hatten. Die große
Ausnahme ist das Frankenreich, das das sogenannte "Mittelalter" in Westeuropa
beherrschte und für das Karl der Große 800 die Kaiserkrone des Imperiums
erhielt.
2. Vorbemerkungen:
- Vielfältige Wanderungen vor der "Völkerwanderung im
engeren Sinne", vor 375 n.Chr.:
Die Entwicklung der Menschheit und die Ausbreitung
des homo sapiens über die Erde war immer mit großen oder kleinen Wanderungen
verbunden, Wanderungen, die zum Teil in unvorstellbar langen Zeiträumen
erfolgten und die im einzelnen kaum zu fassen sind.
Historisch fassbar sind einige größere
Wanderungszüge in der Antike vor den Völkerwanderungen seit 375 n.Chr.:
- Evtl. (bei aller legendären Darstellung im Alten Testament): der Auszug der "Israeliten"
aus Ägypten und die Einnahme des Landes Kanaan im 13. Jhdt. v.Chr.
- Die Züge der Kimbern und Teutonen von Jütland nach Gallien und Italien
um 100 v.Chr.
- Die Züge der Kelten nach Italien, die 386 v.Chr. zur Eroberung Roms
führte, aber nicht zu einer dauerhaften Reichsgründung in Italien.
- Die Wanderung der Sueben/ Alemannen von Norddeutschland nach
Südwestdeutschland, die nach der Überwindung des Limes um 260 n.Chr. nach
einiger Zeit zum Herzogtum Alemannien führte.
- Die Wanderungen der Goten aus Skandinavien in die Gebiete an der
Weichselmündung, die wohl bis 150 n.Chr. abgeschlossen waren.
- Gründe für die Wanderungen:
Die Anlässe und Gründe für die Wanderungen, die
ja häufig Wanderungen vom Norden nach Süden waren, waren sicher unterschiedlich.
Am häufigsten werden vermutet:
Klimaverschlechterung im Herkunftsland, Überschwemmungen an den Küstengebieten, Übervölkerung, ausgelaugte Böden, Anziehung durch einen
höher entwickelten Kulturraum; Vertreibung durch andere Stämme (z.B. die Hunnen).
- Wie erfolgten die "Volkswanderungen" und wie
groß waren die "Völker"?
Wie die Wanderungen konkret erfolgten, das wird sehr
unterschiedlich sein, und es ist weitgehend ungeklärt: ob als Züge von Nomaden
mit Reittieren durch die Wüste, evtl. verbunden mit Zelten und Ansiedelungen;
oder als Wanderzüge mit Schiffen oder Kähnen auf Flüssen oder übers Meer entlang
der Küste; oder mit Pferden oder anderen Reittieren auf Wegen in den Urwäldern
oder gar auf befestigten Strassen, wo man auch mit Wagen mit den Habseligkeiten und
mit Frauen und Kindern und alten Menschen fahren konnte und wo man neu siedeln
konnte; oder doch nur als ein Eroberungszug von Reitersoldaten.
Wie groß die einzelnen Stämme/Völker waren, wie viele Menschen jeweils auf den
"Wanderungen" zogen, das ist nicht genau bekannt. Ein Anhalt kann der Zug der
Wandalen geben, bei dem im Jahr 429 etwa 80.000
Menschen von Spanien nach Nordafrika übergesetzt sein sollen (darunter 15.000 -
20.000 Panzerreiter). - Ost- und Westgoten schätzt man je auf 100.000 - 150.000
Personen (Zahlen nach Hilsch, Das Mittelalter, S. 26)
- Zur folgenden Kurzdarstellung der Völkerwanderungen seit
375 n.Chr.:
Die folgende Übersicht reduziert die sehr komplexen
Ereignisse der Völkerwanderungszeit auf einige große Linien. Die einzelnen
"Völker" umfassen jeweils eine ganze Reihe verschiedener Stämme, die
verschiedenen Wanderwege und ihre Stationen waren vielfältiger, die Beziehungen
auch zwischen den Germanenstämmen und den Römern waren viel komplexer. Dafür
wird auf die unten genannte Literatur hingewiesen.
3. Die Ereignisse/ Völkerwanderungen seit dem Hunneneinfall um 375 n.Chr.
3.1 Karte zu den
Völkerwanderungen
Auf der Karte sind die Lage des Weströmischen und
des Oströmischen Reiches um etwa 370 n.Chr. und die ursprünglichen
Siedlungsgebiete der wichtigsten Germanischen Stämme/Völker und ihre
Wanderrouten eingezeichnet.
.
(Karte nach dem dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Band 1,
dtv-Verlag München, 1964, S. 114)
3.2 Daten zur Völkerwanderung,
ihrem Umfeld, und zu den
neuen Germanischen Reichen:
375 n.Chr.: Einfall der Hunnen und Vertreibung zuerst der Ostgoten
380: Wulfila, Missionsbischof für die Goten, hat die Bibel ins Gotische
übersetzt. - Die Goten übernehmen den Christlichen Glauben in arianischem
Verständnis
387: Schlacht von Adrianopel (Sieg der Westgotischen Föderaten über die Römer)
395: Teilung des Römischen Reiches in ein Westreich (um Italien) und ein
Ostreich (mit der Hauptstadt Konstantinopel)
410: Eroberung Roms durch die Goten unter Alarich
451: Schlacht auf den Katalaunischen Feldern in Nordfrankreich; danach Rückzug
der Hunnen
476: Ende des Weströmischen Reiches: Absetzung des letzten weströmischen Kaiser
in Ravenna durch den Germanen Odoaker
487: Chlodwig besiegt den römischen Statthalter Syagrius in Gallien;
Vergrößerung eines Frankenreiches
496: Sieg des Franken Chlodwigs über die Alamannen bei Zülpich
497 - 526: Theoderich König des Ostgotenreiches mit der Hauptstadt Ravenna
527ff: Kaiser Justinian erobert viele Mittelmeergebiete für das Oströmische
Reich, 552 auch das Ostgotenreich
568: Errichtung eines Langobardenreiches in Italien mit der Hauptstadt Pavia
774: Karl der Große erobert das Langobardenreich und gliedert es dem
Frankenreich ein
3.3 Der Einfall der Hunnen
seit 375 n.Chr.
In Bewegung gesetzt wurden die Völkerwanderungen
im engeren Sinne durch den Einfall der Hunnen,
einem asiatischen Reitervolk, das - vor allem seit der Begrenzung seiner
Ausbreitungsmöglichkeiten in Ostasien durch das Chinesische Reich - immer weiter
nach Südosteuropa vordrang und die dort ansässigen Germanenstämme mit ihrer
überlegenen Reiterkriegs-Technik vertrieb.
Die Hunnen trieben seit 375 die Germanenstämme immer weiter nach Westen,
bis es 451 eine große Schlacht auf den Katalaunischen Feldern in
Nordfrankreich kam, bei der sich ein Heer aus Römern und Germanen den Hunnen
unter Attila entgegenstellten und es wenigstens vorläufig zum Stehen brachte.
3.4 Die Wanderungen und Reichsbildungen der Goten
Die Hunnen stießen nördlich des Schwarzen Meeres
zuerst auf die Goten. Die Goten, vermutlich zuerst in Südskandinavien
ansässige Nordgermanische Stämme, hatten schon einige Wanderungen hinter sich:
Bis etwa 200 n.Chr. hatten sie an der unteren und mittleren Weichsel gesiedelt,
danach hatten sie sich geteilt: Die "Westgoten" siedelten nördlich der unteren
Donau (im heutigen Rumänien), die "Ostgoten" gründeten ein Reich nördlich des
Schwarzen Meeres (nördlich des Kaukasus).
375 griffen die Hunnen das Ostgotenreich unter Ermanarich und vertrieben die
Ostgoten. Die Ostgoten flüchteten in Richtung Westen und erreichten das
Römische Reich. Dort ließen sie sich als Föderaten (d.h. von
Rom akzeptierte Siedler) auf römischen Gebiet nieder. Damit waren sie erst
einmal dem Angriff der Hunnen entkommen. -
Als die Hunnen dann die Westgoten, die nördlich der Unteren Donau
siedelten, angriffen, flohen die Westgoten über die Donau und zogen als zunächst
friedliche und akzeptierte Föderaten in ein neues Siedlungsgebiet zwischen
Konstantinopel und Donau. 387 endete dann das friedliche Zusammenleben:
In der Schlacht von 387 bei Adrianopel siegten die Westgoten über ein
römisches Heer. Danach zogen Westgotische Truppen durch Griechenland und die
Adria. Auf dem Weg nach Rom wurden sie zunächst aufgehalten durch
ein römisches Heer unter dem vom unmündigen Weströmischen Kaiser Honorius zum
Reichsverweser und Feldherrn ernannten Stilicho. (Stilicho war ein
römischer Feldherr Germanischer, nämlich Wandalischer, Herkunft: Wie ein großer
Teil der römischen Soldaten, vielleicht schon die Mehrzahl, war er kein Römer,
sondern ursprünglich Germane.) Als Stilicho 408 durch Honorius abgesetzt
und ermordet wurde, konnte Alarich mit seinen Westgoten ohne große Gegenwehr Rom
erreichen: 410 erreichten die Goten mit ihrem Anführer Alarich Rom, das sie
besetzten und plünderten. (Bei den weiteren Zügen der Westgoten durch Italien
starb dann Alarich in Süditalien bei Cosenza und er wurde im Busento begraben.
Mancher erinnert sich vielleicht noch an das Gedicht: "Nächtlich am Busento
wispern / bei Cosenza dumpfe Lieder....). - Die Westgoten zögen dann weiter nach
Südfrankreich, wo sie um Toulouse ein Westgotenreich gründeten, und nach
Spanien.
476 n.Chr. hatte der Germanenführer Odoaker den
letzten West-römischen Kaiser in Ravenna abgesetzt, womit das West-römische
Reich zu Ende war. Nun kam die große Zeit des
Ostgoten Theoderich. Er stammte aus
Pannonien, wo die Ostgoten als Foederaten im Römischen Reich lebten, und war
zunächst Geisel der Römer. Vom
Ost-römischen Kaiser Zenon war er 476 zum Heermeister der römischen Truppen
ernannt worden. Er sollte zunächst Odoaker beseitigen. (Nach einer jahrelangen
unentschiedenen Schlacht zwischen Odoaker und Theoderich um Ravenna, die als
"Rabenschlacht" in die Theoderich-Mythologie eingegangen ist, hat
Theoderich den Odoaker bei einem angeblichen Versöhnungsmahl 493 eigenhändig
ermordet.)
Danach wurde Theoderich vom Ost-römischen Kaiser
als sein Stellvertreter für Italien zum König in Italien ernannt (497) mit Ravenna als Hauptstadt. Damit begann eine kurze aber glanzvolle Zeit des
Ostgotenreichs Theoderichs.
Theoderich (der in der Nibelungensage als Dietrich von Bern erscheint) dehnte
seinen Machtbereich durch kluge Bündnisse bis über den Alpen- und Donauraum
hinaus aus. Er war z.B. auch Schutzherr der Alemannen in Südwestdeutschland,
sodass diese nach der Niederlage von Zülpich gegen die Franken unter Chlodwig
(496) nicht ganz schutzlos den Franken ausgeliefert waren.
Das Zusammenleben der Ostgoten mit den bisherigen römischen Bewohnern des Landes
wurde weitgehend friedlich geregelt: Das Land wurde so aufgeteilt, dass die
Ostgoten jeweils 1/3 zur Besiedlung und Bebauung erhielten, den bisherigen
Eigentümern blieben 2/3. Die Verwaltung wurde wie bisher von den römischen
Experten (meist adligen Senatoren o.ä.) übernommen. Theoderich berief z.B. einen
der besten und bedeutendsten von ihnen, den Staatsmann und Philosophen
Boethius, zum Konsul und zu seinem Palastmeister. Boethius hat als Philosoph
eine gar nicht hoch genug einzuschätzende Bedeutung für die Philosophie und
Theologie des Mittelalters, für die Vermittlung von Altertum und Mittelalter,
bekommen: einmal durch seine Übersetzungen der Werke des Aristoteles aus dem
Griechischen, und durch sein Buch "Trost der Philosophie", einem der im
Mittelalter am häufigsten gelesenen Werke. (Tragisch war das Ende des Boethius:
Er wurde um 520 des Hochverrats beschuldigt und gefangen gesetzt. Im Gefängnis
schrieb er das Buch "Trost der Philosophie". 524 wurde Boethius in
Pavia getötet.)
Eine Vermischung zwischen der Ostgotischen und der Römischen Bevölkerung
erfolgte kaum. Dagegen stand schon der unterschiedliche Glaube: Die Ostgoten
vertraten (mit Wulfila) ein arianisch geprägten Christentum, die Römer eine vom Konzil von
Nicaea geprägte trinitarische Christologie.
Die kulturelle Hochblüte im Ostgotenreich Theoderichs zeigt sich auch in der
Kunst.
Das monumentale Grabmal
für Theoderich in Ravenna ist ein herausragendes Werk der Baukunst.
Theoderich ließ es um 520 n.Chr. vor allem von syrischen Baumeistern als sein eigenes
Mausoleum errichten. Es gehört
heute ebenso zum Weltkulturerbe wie einige bedeutende Kirchenbauten in Ravenna.
Am eindrucksvollsten ist der achteckige Zentralkuppelbau San Vitale, der nach 526 in Ravenna
errichtet wurde, vermutlich nach einem Bauplan aus Konstantinopel. Byzantinische
und orientalische Vorbilder sind unverkennbar; der Kirchbau entstand etwa
in der gleichen Zeit als in Konstantinopel die Hagia Sophia erbaut wurde. Der
Kirchenbau wird auch wegen der prachtvollen Säulenkapitelle und der vielen
Mosaiken "Wunder von Ravenna" genannt. - Der Kirchbau San
Vitalis war im 8. Jahrhundert für Karl den Großen Vorbild für den Bau der Pfalzkapelle in Aachen.
[Bild (Foto: Marcus Ebener): Innenraum des
Zentralkuppelbaus San Vitale in Ravenna, erbaut nach 526 n.Chr.]
Und auch in den kleineren Schmuckwerken
aus dem Ostgotenreich wird die hohe Qualität und der byzantinische Einfluss
deutlich, wie in den beiden als Grabbeigaben gefundenen und hier abgebildeten Schmuckstücken.
[Bild links
(Briefmarke BRD 1977): Vergoldeter Spangenhelm aus dem Ostgotenreich
Theoderichs, gefunden in einem Fränkischen Fürstengrab von Krefeld - Gellep]
[Entwurf der Briefmarke: Schillinger]
[Bild rechts
(Briefmarke BRD 1987): Ostgotische Prunkschnalle aus dem 6. Jahrhundert, aus
einem ostgotischen Frauengrab]
[Entwurf der Briefmarke: Lüdtke]
Zum Ende des Ostgotenreiches:
Nach dem Tod Theoderichs 526 bestand das Ostgotenreich nur noch wenige Jahre,
bis 552. Die verschiedenen Nachfolger Theoderichs versuchten das Königreich
gegen die Übernahme durch den Oströmischen Kaiser Justinian zu verteidigen. Aber
am Ende verlor Totila gegen den Oströmischen Feldherrn Belisar und Teja gegen
den Oströmischen Feldherrn Nasarja. Damit gehörte das Gebiet des Ostgotenreichs
zu Ostrom - bis 568, der Eroberung durch die
Langobarden.
[Felix Dahn hat 1876 den Roman "Ein Kampf um Rom" veröffentlicht, in dem er den
heldenhaften Kampf der Ostgoten nach dem Tod Theoderichs gegen die Übermacht
Ostroms zum Thema gemacht hat. Es war ein historischer Jugendroman, der für
Jahrzehnte ein Bestseller wurde und für viele Generationen von Jugendlichen und
Erwachsenen das Bild der Ostgoten und des 6. Jahrhunderts geprägt hat.]
3.5 Die Wanderungen und das
Reich der Wandalen
Die Wandalen (oder: Vandalen) zogen ab 400 n.Chr.
aus Mitteleuropa über den Rhein, dann durch Gallien nach Spanien und setzten
dort mit etwa 80.000 Personen ab 429 unter Geiserich mit Schiffen über die
Meerenge hinüber nach Nordafrika, das damals auch noch weitgehend zum Weströmischen Reich
gehörte. In Nordafrika lebten sie zunächst als Foederaten im Römischen Reich,
dann gründeten sie ein eigenes Reich mit dem 439 eroberten Karthago. Von
Karthago unternahmen sie 455 mit Schiffen einen erfolgreichen Überfall auf
Rom, das sie 14 Tage lang plünderten. (Das Schimpfwort "Vandalismus" für "blinde
Zerstörungswut" wurde 1794 zuerst von einem Französischen Bischof für die
sinnlose Zerstörung von Kunstwerken nach dieser Plünderungsorgie der Wandalen
455 in Rom verwendet.) - 534 wurde das Wandalenreich durch die
Truppen des oströmischen Feldherrn Belisar im Auftrag des Oströmischen Kaisers
Justinian vernichtet.
3.6 Die Burgunder (und das
Nibelungenlied)
Die Burgunder, Ostgermanische Stämme, siedeln
zunächst an der Oder und Warthe. Um 400 kommen sie an den Rhein, den sie bei
Worms überschreiten wollen. Sie siedeln zunächst als Foederaten im römischen
Reich am Rhein bei Mainz und Worms. 436 werden sie von den Hunnen unter
Attila (=Etzel) besiegt. Darauf werden die restlichen Burgunder vom Römischen
Heermeister Aetius um 443 umgesiedelt in ein neues Siedlungsgebiet an der Rhone,
woraus sich das heute unter dem Namen "Burgund" entwickelte Reich entwickelte.
Die Ereignisse sind der Hintergrund für das seit
dem 12. Jahrhundert bekannte Nibelungenlied, wenn sie auch dort stark
personalisiert und verändert sind und wenn auch darin Personen auftauchen, die
in eine ganz andere Zeit gehören (z.B. Dietrich von Bern, der wohl Theoderich
von Verona, auch Theoderich von Ravenna, sein sollte). Ein historischer Kern
liegt aber darin, dass im Nibelungenlied vom Burgunderreich unter einem König
Gunther erzählt wird, das um Worms am Rhein bestand. Dies Burgunderreich wurde
durch die Hunnen unter Attila (= Etzel) zerstört. Aber auch das Reich Etzels ist
bald darauf zu Ende. (Für die anderen Hauptpersonen des Nibelungenliedes, für
Kriemhild, Brünhilde, Siegfried, Hagen und ihre Taten und Leiden, auch für den
Nibelungenschatz, das Rheingold, gibt es dagegen keine direkten historischen
Vorbilder. Und für die Geschichten, wie sie Richard Wagner in seinem "Ring des
Nibelungen" erzählt, gilt das erst recht.)
3.7 Die Jüten und die Angeln und die Sachsen
in England
Um 450 n.Chr. ziehen Nordgermanische Stämme aus
Südskandinavien und Norddeutschland nach Britannien: Die Jüten, und Angeln und
die Sachsen. Sie siedeln zunächst in Südengland in dem um 400 von den Römern
verlassenen England und verdrängen die keltischen Briten an die Ränder: nach
Wales, Cornwall und Schottland. Sie gründen dort 7 Staaten der "Angelsachsen", die bald um die
Vorherrschaft kämpfen und gegen die einfallenden Wikinger.
871, mit der
Herrschaft Alfreds d.Gr., König von Wessex, wird meist der Beginn einer
einheitlichen Angelsächsischen Geschichte angesetzt. Nach dem Sieg der Normannen
unter Wilhelm dem Eroberer in der Schlacht bei Hastings 1066 wird dann Wilhelm der
Eroberer in Westminster zum König gekrönt und er erobert darauf ganz England.
3.8 Die Franken
Die Westgermanischen Franken leben zunächst in
verschiedenen Stämmen am Mittelrhein (Salische Franken). Immer mehr dieser
Stämme ziehen dann nach Nordfrankreich und lassen sich dort zunächst als
Foederaten in Gallien im Römischen Reich nieder. Ab 450 expandieren sie immer
mehr. 487 schlägt Chlodwig,
der Sohn des Frankenkönigs Childerich I.,
den letzten Römischen Statthalter für Gallien, Syagrius. Nun vergrößert Chlodwig sein Reich
in großen Schritten: Er nimmt die Gebiete im mittleren und dann im südlichen
Frankreich für sein Reich ein.
496
besiegt er in der Schlacht von Tolbiacum/Zülpich die Alamannen. Wie vor der
Schlacht versprochen lässt Chlodwig sich nach dem Sieg römisch-katholisch taufen. Damit
ist der Grund gelegt für das Frankenreich, das in den nächsten Jahrhunderten die
bestimmende Macht in Westeuropa sein wird: Das Frankenreich bis zu seinem
Höhepunkt unter Karl dem Großen. ("Aber das ist eine andere Geschichte".)
[Bild (Marke Frankreich,
1996): 1500 Jahre Sieg Chlodwigs über die Alamannen bei Zülpich (496) und Taufe Chlodwigs durch Remigius in Reims (Miniatur aus
dem 14. Jhdt. in den Grandes Chroniques de France, Bibliothèque
Muicipale Castres)]
3.9 Die Langobarden
Die Langobarden, Germanische Volksstämme, die um
400 n.Chr. an der unteren Elbe wohnten, die dann bis 500 nach Pannonien
wanderten, erobern 568 unter ihrem König Alboin einen Großteil der inzwischen zu
Ostrom gehörenden Gebiete Italiens und gründen ein Langobardenreich mit der
Hauptstadt Pavia. Einige Gebiete in Süditalien bleiben weiterhin als Exarchate
bei Ostrom. Außerdem bilden sich einige kleinere selbständige Langobardische
Herzogtümer z.B. um Spoleto und Benevent. -
774 endet auch das selbständige Langobardenreich: 774 erobert Karl der Große das
Langobardenreich und gliedert es dem Frankenreich ein. ["Nur der Name bleibt":
Die italienische Regionenbezeichnung "Lombardei" leitet sich vom Namen der
Langobarden ab.]
3.10 Nachtrag:
Völkerwanderungen nach 600: Slawen, Araber, Normannen, Europäer nach Amerika,
Juden nach Israel
Mit den Langobarden sind die großen
Völkerwanderungen natürlich noch lange nicht zu Ende, sie gehen bis zur
Gegenwart in unterschiedlichen Formen weiter. Nicht immer, aber oft sind sie mit
neuen Reichsbildungen (oder: Staatsbildungen) und der Unterdrückung und/oder
Vertreibung der bisherigen Bewohner eines Landes verbunden. (Ein Großteil der
europäischen Geschichte, und der Weltgeschichte, lässt sich nach den großen
Völkerwanderungen beschreiben.) Einige Beispiele für die Völkerwanderungen nach
600 n.Chr.:
- Slawische Völker, vor allem die sogenannten Westslawen (zu denen die
Polen, Tschechen und Slowaken gehören), wanderten aus ihrem Herkunftsgebiet im
Gebiet der Pripet-Sümpfe nach dem Abzug der Goten u.a. aus Osteuropa
und Westasien seit dem 6. Jahrhundert in die bevölkerungsarmen Gebiete östlich der Elbe und östlich der
Oder. - Die Ostslawen zogen nach Russland und in die Ukraine. - Die Südslawen,
zu denen die Slowenen, Serben, Kroaten und Bulgaren gerechnet werden, zogen nach
Süden zur unteren Donau und zum Balkan.
- Arabische Völker ("Sarazenen") eroberten nach dem Siegeszug des Islam seit 622 sehr
rasch die Länder Nordafrikas und dann auch Spanien.
- Die Normannen, oder Wikinger, kommen seit dem 8. Jahrhundert aus ihrer
Heimat Skandinavien und befahren als gefürchtete Seeräuber und Plünderer die
Meere und Flüsse zunächst des Nordeuropäischen Festlandes. Im 11. Jahrhundert
errichten sie dann in Sizilien ein Normannisches Reich.
Und in Nordfrankreich
gründen sie das Herzogtum Normandie, das sie 911 als Westfränkisches Lehen
erhalten hatten, von wo Wilhelm der Eroberer nach England aufbricht: In der
Schlacht von Hastings 1066 besiegt er die Engländer und zieht als König
von England nach Britannien.
[Bild (Marke England 1966): 900 Jahre Schlacht
von Hastings, Abbildung aus dem Teppich von Bayeux]
- Nach der Entdeckung Amerikas 1492 wanderten Europäer in großer Zahl z.T.
als Eroberer, z.T. als Siedler und Geschäftsleute nach Nord- und Südamerika aus
und gründeten nach einiger Zeit neue selbständige Länder/Staaten (z.B. 1776 die
Vereinigten Staaten von Amerika mit der Unabhängigkeitserklärung.)
- Auch die Gründung des Staates Israel 1948 kann hier im Kontext der
Völkerwanderungen genannt werden: mit der Auswanderung und Flucht vieler verfolgten
Juden in vielen Ländern der Welt und der Gründung eines sicheren und
anerkannten neuen Heimatlandes in Israel.
4. Literaturhinweise
zur Völkerwanderung in der
Spätantike:
- Hubert Fehr/Philipp von Rummel: Die
Völkerwanderung. Theiss Wissen kompakt. Theiss-Verlag 2011
- Peter
Hilsch: Das Mittelalter - die Epoche.
UTB basics. UVK
Verlagsgesellschaft Konstanz, 2006
- Klaus Rosen: Die Völkerwanderung. CH
Beck Wissen. Beck-Verlag 2002
- Walter Pohl: Die Völkerwanderung.
Eroberung und Integration. Kohlhammer- Verlag 2002
- Jochen Martin: Spätantike und
Völkerwanderung. Oldenbourg Grundriss der Geschichte Band 4, Oldenbourg
Verlag, 3. Auflage 1995
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